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Für welche Hinweise gilt das Hinweisgeberschutzgesetz?

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Rechtliche Aspekte
27.07.21

Um den Schutz von Hinweisgebern zu garantieren, müssen Beschäftigungsgeber mit mehr als 250 Mitarbeitern laut dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ab dem 17.12.2021 eine interne Meldestelle einrichten. Aber welche Hinweise können an eine interne Meldestelle abgegeben werden und welche nicht? Schauen wir in den aktuellen Referentenentwurf des Gesetzes!

Der Referentenentwurf des HinSchG thematisiert an unterschiedlichen Stellen, welche Hinweise vom Gesetz umfasst werden und welche nicht:

  • In § 2 wird der sachliche Anwendungsbereich geregelt; dort wird definiert, welche Hinweise zu einem Schutz des Hinweisgebers führen
  • § 5 regelt den Vorrang von Sicherheits-, Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten vor dem Hinweisgeberschutzgesetz
  • § 6 regelt das Verhältnis zu sonstigen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten
  • In § 31 werden die mit der Offenlegung von Informationen verbundenen Schutzaspekte geregelt

Vom Hinweisgeberschutzgesetz umfasste Hinweise

  • § 2 des Referentenentwurfes zum HinSchG regelt den sachlichen Anwendungsbereich. Dort werden also die Verstöße benannt, über die eine Meldung abgegeben werden kann und bei denen die hinweisgebende Person im Nachgang unter die Schutzvoraussetzungen des Gesetzes fällt.

Von zentraler Bedeutung ist, dass Meldungen über Verstöße, die straf- oder bußgeldbewehrt sind, in diese Kategorie fallen.

Darüber hinaus gilt das Gesetz auch für die Meldung und die Offenlegung sonstiger Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft

  • zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen,
  • zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung,
  • mit Vorgaben zur Produktsicherheit und -konformität,
  • mit Vorgaben zur Sicherheit im Straßen-, Eisenbahn-, See-, und im zivilen Luftverkehr sowie bei der Beförderung gefährlicher Güter,
  • aus dem Bereich Umweltschutz, Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit
  • zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und der Energieeffizienz,
  • zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, sowie Tiergesundheit und zum Tierschutz, sowie den Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren,
  • zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Substanzen menschlichen Ursprungs, Arzneimittel und Medizinprodukte sowie die grenzüberschreitende Patientenversorgung,
  • zur Herstellung, zur Aufmachung und zum Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen,
  • zur Regelung der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern sowie zum Schutz von Verbrauchern im Bereich der Zahlungskonten und Finanzdienstleistungen, bei Preisangaben sowie vor unlauteren geschäftlichen Handlungen,
  • zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie zur Sicherheit von Netz- und Informationssystemen,
  • zur Regelung der Rechte von Aktionären von Aktiengesellschaften.

Bezüglich des sachlichen Anwendungsbereichs des HinSchG bestehen zurzeit noch Diskussionen zwischen den Regierungsparteien. Umstritten ist, ob sich das Gesetz nur auf Meldungen über Verstöße gegen EU-Recht bezieht oder ob auch Verstöße gegen deutsches Recht miteinbezogen werden.

Würde ein Hinweisgeberschutzgesetz lediglich EU-Recht einbeziehen, wäre der Schutz für Whistleblower nicht ausreichend garantiert. Anders verhält es sich, wenn sich das Hinweisgeberschutzgesetz auch auf nationales Recht ausweitet. Der aktuelle Referentenentwurf sieht diese Ausweitung auf nationales Recht vor.

In § 6 HinSchG geht es um die Fälle, bei denen trotz bestehender Verschwiegenheits- oder Geheimhaltungspflichten Hinweisgeberschutz besteht. Eine hinweisgebende Person, die einen Hinweis abgibt, der ein Geschäftsgeheimnis, ein Sozialgeheimnis oder ein Steuergeheimnis zum Gegenstand hat, genießt nur dann den Schutz des HinSchG, wenn der Hinweisgeber hinreichend Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe oder die Offenlegung notwendig ist, um einen Verstoß im sachlichen Anwendungsbereich aufzudecken.

  • § 31 HinSchG regelt die Offenlegung von Informationen. Ein Hinweisgeber, der eine Information offenlegt, kann durch das Hinweisgeberschutzgesetz geschützt werden. Dies erfordert jedoch gewisse Voraussetzungen. Zunächst, und das ist wohl die wichtigste Voraussetzung, darf die Meldung nicht sofort an die Öffentlichkeit gegeben werden. Die hinweisgebende Person hat die Meldung zuerst an eine externe Meldestelle abzugeben. Und erst, wenn die hinweisgebende Person in der im Referentenentwurf genannten Frist von drei Monaten keine Rückmeldung von der externen Meldestelle über das Ergreifen geeigneter Folgemaßnahmen erhalten hat, darf die Meldung offengelegt werden. Wichtig ist also, dass sich der Whistleblower als erstes an eine externe Meldestelle wendet. 

Nicht vom Hinweisgeberschutzgesetz umfasste Hinweise

  • § 5 regelt den Vorrang von Sicherheitsinteressen sowie Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten. Dies bedeutet: nicht für alle Meldungen oder Offenlegungen kann Hinweisgeberschutz erwirkt werden. Nationale Sicherheitsinteressen, Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten haben also Vorrang vor dem Schutz hinweisgebender Personen.

Dies betrifft zum Beispiel:

  • militärische Belange,
  • Informationen, die die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen auf EU-Ebene betreffen,
  • Hinweise, denen eine Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht zum Schutz von Verschlusssachen entgegensteht,
  • Meldungen, denen das richterlicher Beratungsgeheimnis entgegensteht oder
  • Verschwiegenheitspflichten von Rechtsanwälten, Verteidigern oder Notaren oder
  • Verschwiegenheitspflichten von Ärzten, Zahnärzten oder Apothekern.

Ein Beispiel: In unserem Blogbeitrag „Bekannte Whistleblower-Fälle im Lichte des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes“ haben wir den Fall von Edward Snowden dargestellt und eine rechtliche Bewertung durchgeführt, ob er vom Hinweisgeberschutzgesetz geschützt worden wäre. Da Edward Snowden auch Informationen über militärische Belange publizierte und diese laut Hinweisgeberschutzgesetz einen Vorrang haben, wäre er vom HinSchG nicht geschützt worden.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunes, Spotify, Youtube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar.

Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.