Viewing posts from: December 2021

Whistleblower – Prämie 24 Mio. $

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle, Meldekanäle
22.03.22

Sollen Whistleblower finanzielle Anreize erhalten? Diese Frage haben wir auch schon in diesem Blog diskutiert. Ende 2021 erhielt ein Hinweisgeber eine Prämie in Höhe von 24 Mio. $. Ist das gerechtfertigt?

Der Fall über den Whistleblower

Das Manager-Magazin berichtete im November 2021 über einen spektakulären Whistleblowing-Fall:

Der südkoreanische Ingenieur Kim Gwang-ho, der 26 Jahre lang beim Automobilherstellers Hyundai beschäftigt war, hatte die Aufsichtsbehörden bereits im Jahr 2016 darauf hingewiesen, dass der Konzern offenbar zu wenig gegen einen Motorfehler tue, der zu Unfällen führen könnte. Nun zahlt ihm die US-amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) mehr als 24 Millionen Dollar. Das ist die höchste Whistleblower-Prämie, die jemals in der Autoindustrie gezahlt wurde. Für die Behörde war es gleichwohl kein Verlustgeschäft: Hyundai musste eine Strafzahlung über mehr als 200 Mio. € leisten, da das Unternehmen es versäumt hatte, insgesamt mehr als 1,6 Millionen Fahrzeuge rechtzeitig zurückzurufen.

Die Motivation von dem Whistleblower

Der Ingenieur selbst hält den Betrag nicht für zu hoch. Er habe seitdem viel erlitten, seine Stelle aufgegeben sowie den Kontakt zu langjährigen Kollegen abgebrochen.

Mit dem Geld will er nun eine Stiftung zur Förderung einer verantwortungsvollen Firmenkultur gründen und mit einem YouTube-Kanal künftig Menschen beibringen, wie sie Fehlverhalten aufdecken können.

Die Beurteilung des Falls

Dass eine hinweisgebende Person aus einer Meldung von Fehlverhalten keine Nachteile erleiden darf, ist unumstritten. Diskussionswürdig bleibt jedoch, wie hoch die aus einer Meldung resultierenden finanziellen Vorteile sein dürfen. Die in diesem Fall gezahlte Prämie in Höhe von 24 Mio. $ ist höher, als es das gesamte kumulierte Einkommen des Ingenieurs in seinem Berufsleben gewesen wäre.

Für die Behörden ergeben sich aus diesem Vorgehen zwei Vorteile. Erstens resultiert aus dem Aufdecken des Fehlverhaltens ein hoher Gewinn, da die Strafzahlungen des Unternehmens die Whistleblower-Prämie deutlich übersteigen. Zweitens steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in Anbetracht der hohen Prämie künftig vermehrt Fehlverhalten von Unternehmen gemeldet wird.

Aber es resultieren auch Nachteile aus diesem Vorgehen. So tut sich z.B. eine Kluft auf zwischen „Corporate Misconduct“ und Fraud. Für Hinweise auf Fälle, bei denen das Unternehmen oder die Dienststelle Täter sind, gibt es Prämien. Bei Fällen, bei denen das Unternehmen oder die Dienststelle Opfer sind, z.B. Fraud von mitarbeitenden Personen, wir es keine staatlichen Prämien geben. Prämien vom Unternehmen bzw. der Dienststelle könnten dieses Ungleichgewicht ausgleichen.

Insgesamt würde hierdurch jedoch der Eindruck entstehen, dass Whistleblowing ein Geschäft ist. Dies kann zu einer vorschnellen und weniger sorgfältigen Abgabe von Hinweisen führen. Das Risiko von Falschmeldungen dürfte somit steigen.

Zusammenfassung

Extrem hohe Prämien für Whistleblower fördern einerseits die Bereitschaft zur Meldung von Fehlverhalten des Unternehmens oder der Dienststelle. Ein nachfolgender Arbeitsplatzverlust oder andere potenzielle schwerwiegende Nachteile werden sozusagen „eingepreist“. Andererseits übersteigen derart extreme Prämien das Lebenseinkommen vieler im Unternehmen oder der Dienststelle beschäftigter Personen. In deren Augen wird das Hinweisgebersystem zu einem Instrument, mit dessen Hilfe man schnell reich werden kann. Der Anteil falscher Meldungen wird steigen.

 

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunes, Spotify, YouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar. 

 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Kann ein Hinweisgebersystem missbraucht werden?

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Falluntersuchung/ Investigation, Folgemaßnahmen und Meldestelle, Hinweisgeberschutz
22.02.22

Ein Hinweisgebersystem ist ein Instrument, um frühzeitig Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle zu entdecken und Schaden zu verhindern bzw. zu minimieren. Aber kann dieses Instrument nicht auch missbraucht werden? Diese Frage stellen sich viele Unternehmen und Dienststellen, die sich mit der Einführung eines Hinweisgebersystems befassen.

Definition und mögliche Gründe für einen Missbrauch von einem Hinweisgebersystem

Stellen wir zunächst die Frage, was man unter Missbrauch versteht.

Definition: Der Missbrauch eines Hinweisgebersystems ist die bewusst falsche Meldung eines unterstellten Fehlverhaltens einer im Unternehmen oder der Dienststelle beschäftigten Person.

Nicht als Missbrauch zu werten sind hingegen

  • die Abgabe eines unwissentlich falschen Hinweises und
  • die Abgabe einer Meldung im falschen Meldekanal; so kommt es beispielsweise häufig vor, dass in einem Hinweisgebersystem fälschlicherweise Kundenbeschwerden abgegeben werden.

Was können Gründe sein für einen Missbrauch eines Hinweisgebersystems? Die Gründe können höchst unterschiedlicher Art sein, etwa

  • die bewusste Schädigung der im Hinweis beschuldigten Person,
  • Langeweile am Arbeitsplatz,
  • die Schädigung eines Wettbewerbers – wenn ein Lieferant einen Hinweis abgibt,
  • die hinweisgebende Person will sich durch die Abgabe eines falschen Hinweises schützen – das Hinweisgeberschutzgesetz sieht im bisherigen Entwurf eine Beweislastumkehr vor bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über Benachteiligungen einer hinweisgebenden Person nach der Hinweisabgabe. 

Die Konsequenzen der Missbrauchsgefahr von einem Hinweisgebersystem

Die wichtigste Konsequenz für Unternehmen und Dienststellen ist sicherlich: Es gilt die Unschuldsvermutung! Da Hinweise wie dargestellt bewusst oder unbewusst falsch sein können, muss eine im Hinweis beschuldigte Person bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten. Nichts ist für das Ansehen des Instruments „Whistleblowing“ schädlicher als die Benachteiligung einer Person, die sich im Nachhinein als unschuldig erweist.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus eine geeignete interne Kommunikation, die einerseits die Mitarbeitenden darum bittet, nur zutreffende Hinweise abzugeben und andererseits aber auch unmissverständlich darauf hinweist, dass der Missbrauch eines Hinweisgebersystems selbst ein schwerwiegender Complianceverstoß ist und daher entsprechend sanktioniert wird.

Zusammenfassung

Ein Hinweisgebersystem kann aus unterschiedlichsten Gründen missbraucht werden. Wichtig ist daher die Beachtung der Unschuldsvermutung nach Eingang eines Hinweises und vorab – quasi zur Abschreckung – eine geeignete interne Kommunikation der nach einem Missbrauch drohenden Sanktionen.

Missbrauch von Hinweisgebersystemen kommt vor. Wie häufig bzw. wie selten dies geschieht, wird Thema eines der nächsten Blogbeiträge sein.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunes, Spotify, YouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar. 

 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.