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Greenwashing – Der Fall DWS

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Falluntersuchung/ Investigation, Folgemaßnahmen und Meldestelle, Hinweisgeberschutz
26.07.22

Eine leitende Mitarbeiterin weist auf Probleme hin und wird entlassen. Wie stellt sich der Fall dar im Lichte des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes?

Der Fall

Desiree Fixler war Nachhaltigkeitschefin der Fondsgesellschaft DWS und wies in dieser Funktion den CEO und das Topmanagement auf potenzielles Greenwashing hin. Daraufhin wurde sie im März 2022 entlassen.

Von Greenwashing in der Fondsbranche spricht man, wenn Finanzprodukte um sie für viele Kunden attraktiver zu machen als „grüner“ und nachhaltiger verkauft werden, als sie es tatsächlich sind. Das wäre dann Kapitalanlagebetrug. Die Fondsgesellschaft hat in ihrem Geschäftsbericht 2020 geschrieben, mehr als die Hälfte der 900 Milliarden Euro an verwalteten Kundenvermögen genügten den ESG-Kriterien (environmental, social, governance; deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Intern war laut Fixler allerdings von einem viel geringeren Volumen die Rede.

Ihre Entlassung wurde durch das Unternehmen inhaltlich mit fehlenden Fortschritten bei der ESG-Thematik begründet. Daraufhin wandte sich Frau Fixler an das Wall Street Journal.

Als Konsequenz der Berichterstattung in den Medien gab es Ende Mai 2022 eine Razzia von rund 50 Polizisten, Staatsanwälten und Vertretern der Finanzaufsicht bei der Deutschen Bank und ihrer Fondsgesellschaft DWS. Einen Tag später trat der CEO der DWS, Asoka Wöhrmann, zurück.

Im Geschäftsbericht für das Geschäftsjahr 2021 hat die DWS mittlerweile das Volumen der nach ESG-Kriterien verwalteten Kundenvermögen von sich aus um 75 Prozent reduziert – von 459 auf 115 Milliarden Euro.

Die Beurteilung

Es ist offensichtlich, dass die Kritik der ehemaligen Nachhaltigkeitschefin mehr als berechtigt war. Anlagen in dreistelliger Milliardenhöhe waren zu Unrecht als ESG-kompatibel ausgewiesen worden. Wäre Desiree Fixler also unter die Schutzvoraussetzungen des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes gefallen?

Das Gesetz sieht vor, dass eine Meldung über Fehlverhalten an eine interne oder eine externe Meldestelle gerichtet werden muss. Eine Offenlegung über die Presse darf lt. § 32 – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur dann erfolgen, wenn zuvor die Meldung bei einer externen Meldestelle (in diesem Fall wohl die externe Meldestelle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) gemacht worden ist und diese in einer bestimmten Frist nicht tätig geworden ist.

Frau Fixler hat sich aber vernünftigerweise zunächst direkt an den CEO gewandt, der für die Thematik fachlich zuständig war. Die Schutzvoraussetzungen des Hinweisgeberschutzgesetzes wären somit formal allerdings nicht erfüllt. Aber auch ohne diesen Schutz wäre eine Klage vor dem Arbeitsgericht gegen ihre Entlassung zweifelsfrei erfolgreich.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunesSpotifyYouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar.

 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Mittelstand und Hinweisgebersysteme – ist das wirklich sinnvoll?

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle, Meldekanäle
26.04.22

Während Großunternehmen bereits fast ausnahmslos ein Hinweisgebersystem eingerichtet haben, sind mittelständische und kleinere Unternehmen diesbezüglich eher zögerlich. Letzteres wird sich jedoch demnächst ändern (müssen), denn die gültige EU Directive Whistleblowing und das neue Hinweisgeberschutzgesetz, das 2022 in Deutschland in Kraft treten wird, verpflichtet Unternehmen mit mehr als 250 mitarbeitenden Personen, eine interne Meldestelle und somit ein Hinweisgebersystem einzurichten. Ab Ende 2023 gilt diese Verpflichtung dann auch für kleinere Unternehmen ab 50 Mitarbeitern.

Gründe für die zögerliche Einführung von Hinweisgebersystemen im Mittelstand

Aber was hält viele mittelständische Unternehmen bisher davon ab ein Hinweisgebersystem einzuführen? Es gibt wohl drei wesentliche Gründe:

  1. Ein Hinweisgebersystem kostet Geld. Gerade mittelständische Unternehmen sind oft sehr kostenbewusst. Aufwand fällt bei der Einführung eines Hinweisgebersystems sowohl an für die technische Einrichtung und den Betrieb des Systems als auch für die Personen, die eingehende Meldungen zunächst auf Plausibilität prüfen und dann bearbeiten müssen.
  2. Der Nutzen eines Hinweisgebersystems wird nicht erkannt. Oft heißt es: „Bei uns kennt jeder jeden und wenn wir ein Problem haben, dann sprechen wir das offen und direkt an. Dafür brauchen wir doch kein System.“
  3. Man hat Angst vor falschen Hinweisen und vor einer Atmosphäre des Denunziantentums. Insbesondere anonymen Hinweisen wird mit großer Skepsis begegnet.

Warum Hinweisgebersysteme im Mittelstand sinnvoll sind

Betrachten wir die drei Gründe einmal näher:

  1. Die Kosten: Dass mit der Einführung eines Hinweisgebersystems zusätzliche Kosten auf ein Unternehmen zukommen, ist nicht von der Hand zu weisen. Allerdings haben viele Organisationen keinerlei Vorstellung, in welcher Höhe die Kosten für das technische System zur Hinweisabgabe anfallen werden. Hinzu kommt oft, dass es meist keine geeignete kompetente Person im Unternehmen gibt, die die eingehenden Hinweise bearbeiten kann und eine Neueinstellung allein für diese Aufgabe wäre aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll. Abhilfe kann hier die Fremdvergabe des Hinweisgebersystems einschließlich der Bearbeitung der Meldungen sein. Ja, auch das kostet Geld, in der Regel jedoch deutlich weniger, als erwartet.
  2. Kommen wir nun zum Nutzen eines Hinweisgebersystems: Befragt man Unternehmen, die bereits Erfahrung haben mit dem Betrieb eines Systems, wovon sie am meisten profitieren, dann wird an erster Stelle genannt, dass man frühzeitig auf Fehlentwicklungen im Unternehmen aufmerksam wird. Nicht alle Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen gerade in mittelständischen Unternehmen sind bereit, Ihre Beobachtungen eines Fehlverhaltens dem Vorgesetzten zu berichten und schweigen lieber. Man kennt sich und man möchte nicht als Störenfried erscheinen. Wenn aber Probleme nicht erkannt werden, werden sie auch nicht gelöst und der finanzielle Schaden und der Reputationsschaden wird immer größer. Falls es aber ein formales Hinweisgebersystem gibt, bei dem, wenn vom Whistleblower gewünscht, auch anonyme Meldungen abgegeben werden können, sinkt die Schwelle für die Hinweisabgabe deutlich und schadensbegrenzende Maßnahmen können frühzeitig eingeleitet werden. Ein weiterer Vorteil kommt hinzu: Fehlverhalten wird durch ein Hinweisgebersystem nicht nur früher aufgezeigt, es wird mitunter sogar verhindert. Das liegt daran, dass Meldungen über Fehlverhalten oft nicht nur den reinen Sachverhalt beinhalten, sondern auch den Namen der beschuldigten Personen. Sobald aber die Gefahr der Aufdeckung für potenzielle Täter steigt, erhöht sich die Hemmschwelle, Fehlverhalten überhaupt zu begehen.
  3. Ja, es kommt vor, dass Hinweise bewusst falsch abgegeben werden – aus welchen Gründen auch immer. Aber empirische Untersuchungen zu diesem Thema zeigen, dass nur rund zehn Prozent der abgegebenen Hinweise wissentlich falsch abgegeben wurden und dass die weit überwiegende Anzahl der Hinweise in gutem Glauben abgegeben werden. Das gilt ebenso für anonyme Hinweise! Nähere Erläuterungen zu diesen empirischen Untersuchungen finden sich hier und hier.

Zusammenfassung

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Hinweisgebersysteme ein wichtiges und produktives Instrument sind, um Fehlverhalten im Unternehmen frühzeitig aufzudecken und den finanziellen Schaden und den Reputationsschaden zu minimieren. Das gilt sowohl für Großunternehmen als auch für mittelständische Unternehmen. Hinzu kommt, dass im B2B-Bereich viele Großunternehmen von ihren mittelständischen Zulieferern bereits heute ein Compliance-Konzept mit einem funktionierenden Hinweisgebersystem erwarten.

Somit wird deutlich, dass auch für Unternehmen aus dem Mittelstand der Nutzen eines Hinweisgebersystems die Kosten übersteigt, dass ein Hinweisgebersystem also allein aus rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen und zur Reputationssicherung Sinn macht. Das kommende Hinweisgeberschutzgesetz wird somit dazu beitragen, einem auch für den Mittelstand sinnvollen Instrument schneller zum Durchbruch in der betrieblichen Praxis zu verhelfen.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunesSpotifyYouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar.

 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.