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Hinweisgebersysteme im Konzern

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle, Meldekanäle
07.12.21

Sehr kontrovers wird aktuell diskutiert, wie Hinweisgebersysteme im Konzern im Einklang mit der EU-Directive auszugestalten sind. Es reicht nicht, wenn in einem Konzern mit Tochtergesellschaften nur ein Hinweisgebersystem bei der Konzernmutter eingerichtet wird. Daraus ergeben sich nun aber einige praktische Fragestellungen.

Lesen Sie hierzu den Beitrag von Geert Vermeulen:
European Commission: each legal entity must have its own whistleblower procedure – De Integriteitscoördinator (deintegriteitscoordinator.nl)

 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Whistleblowing und Hinweisgebersysteme im Koalitionsvertrag 2021 – 2025

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle, Meldestelle und Datenschutz
30.11.21

Der Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP) thematisiert im Kapitel Unternehmensrecht explizit das Thema Whistleblowing:

Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.

Entschieden ist hiermit, dass es ein Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland geben wird. Positiv ist auch, dass der Hinweisgeberschutz nicht nur bei Meldungen gegen Verstöße gegen EU-Recht gelten wird. Unklar ist noch, ob es zu Änderungen am bereits vorliegenden Referentenentwurf kommen wird. Der Hinweis auf die Bereitstellung von Beratungs- und finanziellen Unterstützungsangeboten für Personen, die Repressalien nach einer Hinweisabgabe erlitten haben, deutet darauf hin. Wann genau das Gesetz in Kraft treten wird bleibt offen. Die existierende Frist seitens der EU (17.12.2021) und die durch die Erwähnung im Koalitionsvertrag signalisierte Bedeutung des Themas für die neue Koalition lässt einen Termin im 1. Halbjahr 2022 wahrscheinlich erscheinen.

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Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Hinweisgebersystem – Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Folgemaßnahmen und Meldestelle, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle
23.11.21

Bei dem Hinweisgebersystem müssen eingegangene Meldungen auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. Was heißt das genau?

Verfahren bei internen Meldungen

Das im Referentenentwurf vorliegende neue Hinweisgeberschutzgesetz regelt in § 17 was die interne Meldestelle zu tun hat, wenn eine Meldung eingegangen ist:

  • Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person nach spätestens sieben Tagen
  • Kontakt mit der hinweisgebenden Person
  • Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen
  • erforderlichenfalls Bitte an die hinweisgebende Person um weitere Informationen
  • Folgemaßnahmen

Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen

Im angesprochenen Referentenentwurf ist die Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen also verbindlich vorgeschrieben. Was der Gesetzgeber aber genau hierunter versteht, wird im Gesetz nicht erläutert.

In der Praxis besteht die Stichhaltigkeitsprüfung aus mehreren Schritten. Am Anfang steht die „Substanzprüfung“. In dieser Phase wird ermittelt, ob der Hinweis genügend Substanz aufweist, um weiterführende Ermittlungen sinnvoll erscheinen zu lassen. Ein Beispiel: „Es könnte sein, dass in unserem Unternehmen jemand bestochen worden ist.“ Enthält der Hinweis keine weiteren Informationen, reicht die Substanz nicht aus, um das angesprochene potenzielle Fehlverhalten zu konkretisieren. Technisch gesprochen wird der Hinweis nicht zu einem Fall.

Danach muss der Hinweis auf Plausibilität geprüft werden. Mit anderen Worten: Können die übermittelten Informationen grundsätzlich überhaupt stimmen? Auch hier ein Beispiel: „Herr Müller hat vorgestern im Materiallager mehrere Druckerpatronen gestohlen“. Stellt sich heraus, dass Herr Müller seit einer Woche krankgeschrieben ist und das Werksgelände nicht betreten hat, so ist der Hinweis nicht stichhaltig.

Zusammenfassung

Wenn ein Hinweis auf Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle zu wenig Substanz hat oder unplausibel ist, wird er die Stichhaltigkeitsprüfung nicht bestehen. Dann ist im Einklang mit § 18 des Hinweisgeberschutzgesetzes das Verfahren abzuschließen. Falls die Stichhaltigkeitsprüfung jedoch bestanden wird, wird aus dem Hinweis ein Fall, der gegebenenfalls detaillierte forensische Untersuchungen erforderlich macht und abschließend die Umsetzung konkreter Maßnahmen, die verhindern sollen, dass ein gleiches oder ähnlich gelagertes Fehlverhalten künftig noch einmal vorkommen kann.

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Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Was ist ein Hinweisgebersystem?

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Folgemaßnahmen und Meldestelle, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle, Meldekanäle
16.11.21

Erlangt eine Person Kenntnis von einem Missstand im Unternehmen, ist diese nicht selten ratlos, an welche Stelle sie sich wenden kann, um den Hinweis abzugeben. Abhilfe sollen Hinweisgebersysteme schaffen, durch die es Hinweisgebern – dies sind meist Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Lieferanten – ermöglicht wird, Hinweise über beobachtete Missstände oder Regelverstöße zu melden.

Meldekanal

Ist ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin im Unternehmen oder der Dienststelle auf Fehlverhalten aufmerksam geworden, stellt sich die Frage, ob – und wenn ja – wie dies gemeldet werden soll. Das ist ja für die allermeisten Personen kein täglicher Vorgang, in dem meisten Fällen kommen Unsicherheit und Nervosität ins Spiel. Das vom Unternehmen oder der Dienststelle eingerichtete Hinweisgebersystem dient dann als vertraulicher Kommunikationskanal, um das Melden von möglichen Straftaten oder Ethikverstößen zu gewährleisten. Somit fördert es Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen und entgegenwirkende Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu negativen Konsequenzen kommt.

Wird also ein Missstand entdeckt, kann sich der Hinweisgeber an das Hinweisgebersystem wenden. Dabei sollte er bzw. sie sich überlegen, auf welche Art und Weise der Hinweis übermittelt werden soll. Hierfür stehen unterschiedliche Meldekanäle bereit. Der Hinweis kann mündlich, also persönlich, sowie telefonisch, postalisch oder digital abgegeben werden. Die digitale Abgabe ist durch einen von der Organisation im Intranet oder Internet eingerichteten Meldekanal möglich.

Unabhängig vom gewählten Meldekanal (Ausnahme: persönliche Hinweisabgabe) muss der Hinweisgeber die Entscheidung treffen, ob er anonym bleiben möchte oder nicht.

Hinweisgebersystem

Auch muss das Unternehmen oder die Dienststelle im Vorfeld festlegen, wer der Empfänger der eingehenden Hinweise ist. Das im Referentenentwurf vorliegende neue Hinweisgeberschutzgesetz sieht hierfür die Bezeichnung „Interne Meldestelle“ vor. Diese kann vom Unternehmen selbst betrieben werden oder von einem erfahrenen externen Dienstleister übernommen werden. Allerdings kann der Hinweis auch an eine der staatlichen externen Meldestellen abgegeben werden. Die meisten Unternehmen und Dienststellen werden jedoch großes Interesse daran haben, dass die Hinweise bei der internen Meldestelle und nicht bei der staatlichen externen Meldestelle eingehen. Daher muss die Möglichkeit der Hinweisabgabe innerhalb des Unternehmens professionell kommuniziert werden.

Wird die interne Meldestelle selbst betrieben, muss das Unternehmen oder die Dienststelle sicherstellen, dass nur Personen mit der Aufgabe betraut werden, die ein entsprechendes Qualifikationsprofil ausweisen.

Hinweisbearbeitung

Nachdem der Hinweis bei der internen Meldestelle eingegangen ist, werden die im Hinweis enthaltenen Informationen dort auf Plausibilität und Stichhaltigkeit überprüft. Der gesamte Prozess der Hinweisbearbeitung erfolgt unter Einhaltung größtmöglicher Vertraulichkeit. Da Hinweise auch falsch sein können, gilt für beschuldigte Personen die Unschuldsvermutung, bis der Verstoß tatsächlich nachgewiesen ist.

Besonders wichtig ist es, dass aus den Untersuchungsergebnissen Maßnahmen abgeleitet werden und implementiert werden, so dass ein gleich oder ähnlich gelagertes Fehlverhalten künftig möglichst nicht wieder vorkommen kann.

Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Whistleblowerin Frances Haugen nach ihrem Austritt aus Facebook

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing
12.11.21

Selten hat eine Whistleblowerin in so kurzer Zeit einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht wie Frances Haugen. Sie hatte diverse Praktiken bei Facebook angeprangert, insbesondere, dass das Unternehmen interne Hinweise auf für Nutzer schädliche Entwicklungen bewusst ignoriert habe. In unserem Blogbeitrag vom 8. Oktober 2021 hatten wir bereits darüber berichtet.

Lesen Sie hier in einem Artikel der NZZ vom 4.11.2021, wie sich Frances Haugen nach der Hinweisabgabe fühlt und wovon sie lebt, nachdem sie Facebook verlassen hat. Die Lektüre hilft zu verstehen, warum Hinweisgeberschutz wichtig ist.


Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.


Whistleblowing – Anonym oder nicht?

Veröffentlicht in Folgemaßnahmen und Meldestelle, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme im Compliance Management
09.11.21

„Soll ich den Hinweis auf Fehlverhalten anonym abgeben oder nicht?“ Das ist die vielleicht wichtigste Frage, vor der eine hinweisgebende Person steht.

Anonym oder nicht-anonym? Das ist die „Gretchen-Frage“ für Whistleblower. Beide Optionen haben für hinweisgebende Personen große Vor-, aber auch Nachteile.

Vorteile, Hinweise anonym abzugeben

Anonyme Hinweisabgabe hat aus Sicht der hinweisgebenden Person einen großen Vorteil: mein Name wird nicht bekannt, weder bei der beschuldigten Person noch allgemein im Unternehmen oder der Dienststelle.

Folglich erspare ich mir unangenehme Begegnungen mit den Personen, von denen ich glaube, dass sie Fehlverhalten begangen haben. Auch wird kein Kollege und keine Kollegin meine Hinweisabgabe als Denunziation einschätzen. Und das Wichtigste: Ich bin mit Sicherheit keinen Repressalien ausgesetzt, niemand wird mir beruflich oder privat schaden.

Das alles sind gewichtige Punkte, denn es ist ja leider kein Einzelfall, dass Whistleblower Repressalien ausgesetzt sind. Um genau dies zu verhindern, wird demnächst im Einklang mit einer bereits verabschiedeten EU-Directive in Deutschland ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet werden, das anonyme Hinweisabgabe erlaubt und Repressalien gegen Hinweisgeber sanktioniert.

Nachteile der anonymen Hinweisabgabe

Whistleblowing erfordert Mut und sollte belohnt werden. Das geht aber natürlich nur, wenn die Identität der hinweisgebenden Person bekannt ist. Dabei geht es nicht in erster Linie um finanzielle Belohnungen – ein Aspekt, über den man sehr kontrovers diskutieren kann. Unstreitig aber dürfte wohl sein, dass ein redlicher Whistleblower Dank und Anerkennung erwarten darf, schließlich hat er bzw. sie auf Missstände aufmerksam gemacht und so finanziellen Schaden oder Reputationsverlust vermieden oder zumindest verringert.

Wird Dank und Anerkennung in geeigneter Form öffentlich ausgesprochen, ist das das stärkste Signal, das ein Unternehmen oder eine Dienststelle senden kann, um zu zeigen: Wir schätzen die Hinweisabgabe, wir verstehen sie als positives Instrument zur Fehlervermeidung und Schadensminimierung. So kann es gelingen, Whistleblowing aus der vermeintlichen Schmuddelecke herauszubekommen und positiv zu konnotieren. Das ist die beste Voraussetzung dafür, dass dann nachfolgend weitere mitarbeitende Personen den Mut zur Hinweisabgabe finden werden, sobald ein Missstand entdeckt wird.

Ein weiterer Nachteil anonymer Hinweisabgabe ist es, dass es dann den Personen, die mit der Bearbeitung der eingegangenen Hinweise betraut sind, nicht möglich ist, mit dem Whistleblower Kontakt aufzunehmen und Nachfragen zu stellen. Diese sind in der Praxis zur Aufklärung des Sachverhalts manchmal unverzichtbar.

Abhilfe schaffen hierfür spezielle webbasierte Systeme oder das Auslagern der Hinweisannahme an einen externen Dienstleister. Im letzteren Fall kann die hinweisgebende Person ihre Identität dem Dienstleister offenbaren, der sie jedoch nicht an das Unternehmen bzw. die Dienststelle weitergibt.

Nicht-anonyme Hinweisabgabe: Die Abwägung

Während es für das Unternehmen oder die Dienststelle eigentlich nur Vorteile hat, wenn Hinweise nicht-anonym abgegeben werden, ist die Situation aus Sicht des Whistleblowers deutlich schwieriger einzuschätzen. Vorteile sind eine etwaige Belobigung sowie das Wissen, auf Nachfragen antworten zu können und somit alles zur Fallaufklärung beigetragen zu haben. Nachteilig ist das Risiko von Repressalien.

Somit wird klar, dass sich eine hinweisgebende Person nur dann für eine nicht-anonyme Hinweisabgabe entscheiden wird, wenn sie darauf vertraut, dass ihr nachfolgend keine Nachteile entstehen werden.

Konsequenzen für Unternehmen und Dienststellen 

Ist es einer Organisation wichtig, dass Hinweise auf Fehlverhalten tendenziell nicht-anonym abgegeben werden, muss sie eine Kultur schaffen, in der Whistleblowing geschätzt wird. Dies kann erreicht werden z.B. durch entsprechende Aussagen der Leitungsebene der Organisation in den internen Medien oder auf internen Konferenzen und Tagungen. All das funktioniert aber nur, wenn die Mitarbeitenden der Leitungsebene wirklich vertrauen, wenn sie das sichere Gefühl haben, dass ihnen keine persönlichen Nachteile entstehen werden.

In diesem Sinne ist jede bewusst nicht-anonym abgegebene Meldung ein Vertrauensbeweis und ein großes Kompliment für das Top-Management. 

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Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

 

Gute Whistleblower, böse Whistleblower!

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Interne Meldestelle, Meldekanäle, Meldestelle und Datenschutz
02.11.21

Nicht alle hinweisgebenden Personen sind gleich. Vom integren Whistleblower, der uneigennützig auf Fehlverhalten hinweist bis hin zu bewusst falschen Meldungen: Auch wenn statistisch gesehen die weit überwiegende Anzahl der Hinweise in gutem Glauben abgegeben werden, alles kommt vor! Wie kann ein Unternehmen oder eine Dienststelle mit dieser Situation umgehen?

Geht ein offener oder anonymer Hinweis bei der internen Meldestelle ein, ist zunächst unklar, ob auf Fehlverhalten hingewiesen werden soll oder ob der Whistleblower eine ganz eigene Agenda verfolgt. Es ist die erste Hauptaufgabe der nachfolgenden internen Untersuchung herauszufinden, ob der Hinweis wirklich stichhaltig ist. Ein wesentlicher Einflussfaktor dabei ist die Frage nach der Motivation des Whistleblowers. Dieser Aspekt soll nachfolgend näher betrachtet werden.

Auf Fehlverhalten aufmerksam machen

Wie sieht der Idealfall einer Hinweisabgabe und der nachfolgenden Hinweisbearbeitung aus?

Ein integrer Mitarbeiter oder eine integre Mitarbeiterin erkennen compliancerelevantes Fehlverhalten im Unternehmen bzw. der Dienststelle. Er bzw. sie wendet sich persönlich an den Vorgesetzten und weist uneigennützig auf das Fehlverhalten hin. Dieser ergreift daraufhin umgehen alle erforderlichen korrektiven Maßnahmen.

So verstanden wird ein Hinweisgebersystem zu einem Instrument der Fehlerfrüherkennung und Produktivitätssteigerung. Voraussetzung hierfür ist aber eine entsprechende Unternehmenskultur, in der Hinweise geschätzt und nicht als Denunziantentum abgetan werden.

Leider fällt nicht jeder in gutem Glauben abgegebene Hinweis auf derart fruchtbaren Boden. Das kann dann entweder daran liegen, dass die entsprechende Unternehmenskultur nicht vorhanden ist, dass die Kompetenz im Umgang mit Hinweisen nicht vorhanden ist oder dass Personen in die Hinweisbearbeitung involviert sind, die durch den Hinweis selbst belastet werden und folglich an der Aufklärung keinerlei Interesse haben. Im schlimmsten Fall werden sie dem Whistleblower sogar schaden.

Um dies zu verhindern, wird demnächst im Einklang mit einer bereits verabschiedeten EU-Directive in Deutschland ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet werden, das anonyme Hinweisabgabe erlaubt und Repressalien gegen Hinweisgeber sanktioniert.

Ein bekanntes Beispiel für einen integren Hinweisgeber in einer nicht-integren Organisation stellt Pav Gill in der Wirecard AG dar, dessen Fall wir in unseren Blogs bereits mehrmals thematisiert haben.

Eigene Vorteile sichern

Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn die hinweisgebende Person zutreffend auf Fehlverhalten im Unternehmen bzw. der Dienststelle hinweist, aber dies nicht uneigennützig tut, sondern einen materiellen Vorteil, z.B. in Form von Geld oder eines beruflichen Aufstiegs erwartet.

In diesem Fall muss seitens der Organisation die schwierige Entscheidung getroffen werden, ob auf die Forderungen eingegangen werden soll. Einflussfaktoren auf diese Entscheidung sind die Höhe des durch die Hinweisabgabe künftig vermeidbaren Schadens, das Ausmaß des Schadens, den der Whistleblower gegebenenfalls erlitten hat, sowie die Überlegung, ob man einen Präzedenzfall schaffen oder im Gegenteil vermeiden will.

Beispielhaft hierfür sei an dieser Stelle der Fall Inan Koc erwähnt, eines ehemaligen Vertriebsleiters mehrerer Vodafone-Partnershops, über den im September 2021 der Spiegel berichtete. Koc informierte Vodafone über Fraud in den Partnershops sowie über Sicherheitslücken in den konzerneigenen IT-Systemen. Koc verlangte von Vodafone 900t Euro netto sowie eine Beratertätigkeit. Vodafone bot Koc 200t Euro an, dieser lehnte ab. Seitdem streitet man sich vor Gericht. 

Anderen Schaden

Zum Glück kommt selten der Fall vor, dass die hinweisgebende Person unlauter handelt und bewusst einen falschen Hinweis abgibt, um einer dritten Person zu schaden. Die Motive hierfür können vielfältig sein: Ein privater Konflikt, eine berufliche Konkurrenzsituation oder auch der Versuch, von eigenem Fehlverhalten abzulenken.

Das Unternehmen oder die Dienststelle muss unmissverständlich klarstellen, dass eine bewusst falsche Hinweisabgabe ein schwerwiegendes Fehlverhalten darstellt und dementsprechend sanktioniert wird. In diesem Sinne ist in § 37 des Referentenentwurfs zum Hinweisgeberschutzgesetz geregelt, dass die hinweisgebende Person zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist.

Eine weitere Konsequenz des Vorkommens falscher Hinweise ist es, dass die in einer Meldung beschuldigte Person bis zum Beweis der Richtigkeit der Meldung als unschuldig zu betrachten ist.

Konsequenzen für Unternehmen und Dienststellen

Die allermeisten Hinweise auf Fehlverhalten werden in lauterer Absicht abgegeben und helfen, Schaden zu begrenzen und künftigen Schaden zu vermeiden. Aber es kommt eben auch vor, dass eine hinweisgebende Person bewusst eine Falschmeldung abgibt oder dass materielle Interessen der Hauptgrund für die Hinweisabgabe sind.

Daher muss das Unternehmen oder die Dienststelle bis zum Beweis des Gegenteils für beschuldigte Personen die Unschuldsvermutung gelten lassen, deutlich kommunizieren, dass eine bewusst falsche Meldung sanktioniert wird und im Fall materieller Interessen der hinweisgebenden Person im Einzelfall entscheiden, wie auf die entsprechenden Forderungen eingegangen werden soll. 

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Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

Warum Hinweisgeberschutz wichtig ist – Die Lehren aus dem Fall Wirecard

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Falluntersuchung/ Investigation, Folgemaßnahmen und Meldestelle
26.10.21

Pav Gill heißt der Whistleblower, der die Aufdeckung des größten deutschen Finanzskandals „Wirecard“ in Gang setzte. Geschützt hat ihn niemand und selbst auf ein „Dankeschön“ aus Deutschland wartet er bis heute.

Selten hat man die Möglichkeit, die Motivation eines Whistleblowers und die aus der Hinweisabgabe resultierenden Konsequenzen im Detail nachzuvollziehen. Die Zeitschrift „CompliancePraxis“ hat in der Ausgabe 3/ 2021 ein Interview mit Pav Gill veröffentlicht, das diese Einblicke ermöglicht.

Die Ausgangslage

Pav Gil war Senior Legal Counsel für elf Länder in der Region Asia Pacific. In dieser Funktion sprach ihn eine Mitarbeiterin des Finanzbereichs in Singapur an und berichtete, dass sie vom Unternehmen gezwungen worden sei, illegal zu handeln. Pav Gill wahrte die Anonymität der Hinweisgeberin und gab den Hinweis an einen Mitarbeiter des zentralen Compliance Office in Deutschland weiter. Mit dessen Genehmigung setze er eine forensische Untersuchung in Gang, die deutliche Hinweise auf Fehlverhalten und kriminelle Handlungen einzelner Mitarbeiter ergab.

Das Verhalten des Unternehmens Wirecard

Der forensische Bericht gelangte schließlich in den Wirecard-Vorstand. Das Vorstandsmitglied Marsalek – wie sich hinterher herausstellen sollte, einer der Haupttäter – übernahm persönlich den Fall. Die Untersuchung wurde kurzfristig beendet und Gill wurde gezwungen das Unternehmen zu verlassen.

Die Konsequenzen für den Whistleblower

Nicht nur, dass Gill seinen Job verloren hatte: Wirecard versucht danach, ihn persönlich zu diskreditieren, um ihm die Aufnahme einer neuen Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber unmöglich zu machen.

In dieser schwierigen Situation wandte sich Pav Gills Mutter – also nicht er selbst – an die Presse. Ihr eigentliches Ziel war es, die Rufschädigung ihres Sohnes zu beenden. Die nachfolgenden Gespräche mit der Financial Times führte dann natürlich Pav Gill selbst.

Warum ein Hinweisgeberschutzgesetz zwingend erforderlich ist

Der Fall Wirecard stellt aus Sicht eines Whistleblowers den Worst-Case dar: Der Haupttäter übernimmt die Leitung der Untersuchung und schädigt nachfolgend massiv den Hinweisgeber. Hier wird deutlich, welche Bedeutung dem Hinweisgeberschutz zukommt.

Das Hinweisgeberschutzgesetz, das in einem Referentenentwurf vorliegt, sieht daher in §35 ein Verbot von Repressalien vor, verbunden mit einer Beweislastumkehr im nachfolgenden Streitfall. Mit anderen Worten: Erleidet eine hinweisgebende Person eine berufliche Benachteiligung, muss das Unternehmen bzw. die Dienststelle beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung oder der Offenlegung beruht. §36 sieht vor, dass der hinweisgebenden Person der resultierende Schaden zu ersetzen ist. Darüber hinaus kann eine Geldbuße bis zu hunderttausend Euro verhängt werden. Allerdings macht der Fall Wirecard auch deutlich, dass diese im Referentenentwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz angedachte Maximalhöhe der Geldbuße viel zu niedrig angesetzt ist.

Das Verhalten der deutschen Behörden 

Der Bericht der Financial Times wurde auch der BaFin zugeleitet, die jedoch nur eine Untersuchung gegen den Reporter der Financial Times wegen versuchter Aktienkursmanipulation einleitete. Lassen wir zum Schluss mit einem Zitat aus dem Interview Pav Gill selbst zu Wort kommen:

„It´s a very odd situation. You have someone, who has helped to expose our country`s biggest ever fraud, but the country itself has not said: „We want to protect (or even thank) you, because you helped us out.“

Weitere Blogbeiträge über bekannte Whistleblower-Fälle finden Sie hier.

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Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.


 

Whistleblowing – Der Fall Facebook

Veröffentlicht in Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle
08.10.21

Frances Haugen war bis zum Frühjahr 2021 zwei Jahre lang Mitarbeiterin von Facebook, gab danach Informationen an das Wall Street Journal und erhebt jetzt in einer Anhörung im amerikanischen Senat schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen.

Konkret wirft die Whistleblowerin Haugen Facebook vor, dass das Unternehmen genau wisse, welche nachteiligen Auswirkungen die Plattform insbesondere auf die Sicherheit von Kindern und auf die Verbreitung von Hassbotschaften habe. Facebook unternehme aber zu wenig, um die mit seinen Plattformen verbundenen Gefahren zu beseitigen. Vielmehr stelle das Unternehmen Profit über Transparenz.

Von der Politik fordert die Whistleblowerin eine Regulierung, die das Unternehmen zu höherer Transparenz zwingen würde. So sollten z.B. unternehmensexterne Wissenschaftler vollständigen Zugang zu relevanten Facebook-Daten bekommen.

Nicht nur aufgrund seiner enormen politischen Bedeutung ist dieser Fall von großer Relevanz. Er wird darüber hinaus auch für die rechtliche Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzes wichtig werden, da offensichtlich zentrale Fragen zu den Themenfeldern interne Meldung vs. Offenlegung, Repressalien gegen Whistleblower und auch Belohnung von Whistleblowern berührt werden.

Post by Martin Walter

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Hinweisgebersysteme: Vorwürfe gegen das Top-Management

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Folgemaßnahmen und Meldestelle, Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Hinweisgebersysteme im Compliance Management, Meldekanäle
28.09.21

Hinweisgebersystem: Auch gegen ein Mitglied des Top-Management des Unternehmens oder der Dienststelle kann ein Vorwurf bei der internen Meldestelle eingehen. Was sollte dann getan werden?

Fehlverhalten kommt auf jeder Hierarchieebene vor. Daher gehen auch gegen Mitglieder des Top-Managements Hinweise bei einem Hinweisgebersystem ein. Somit muss sichergestellt werden, dass trotz der hierarchisch herausgehobenen Position des bzw. der Beschuldigten eine unabhängige und objektive Behandlung des Falles erfolgt. Erläutert werden soll dies anhand eines konkreten Beispiels.

Der Fall des MAN-Chefs

In Ihrer Ausgabe vom 21. August 2021 thematisiert die Zeitung Die Welt den Fall des MAN-Chefs Andreas Tostmann.

Die Tageszeitung berichtet, dass vor zwei Jahren ein anonymer Hinweis bei der Compliance-Abteilung von VW, der Muttergesellschaft von MAN eingegangen sei, in dem der Manager beschuldigt worden ist, die Firmenflotte in unzulässigerweise für Flüge mit privatem Charakter genutzt zu haben. Auch seine jetzige Ehefrau sei mitgeflogen. Die interne Untersuchung des Falles erfolgte durch das zentrale Aufklärungsoffice von VW.

Tostmann, damals noch nicht MAN-Chef, habe sich danach vor dem Disziplinarausschuss von VW verantworten müssen, ein Gremium, dass sich mit Regelverstößen von Top-Managern befasst. Er habe Reue gezeigt, seinen Fehler eingesehen und eine Strafzahlung im mittleren sechsstelligen Bereich akzeptiert. Dies erfolgte im Einklang mit dem internen Bußgeldkatalog von VW, der bei Regelverstößen die Rückerstattung von Bonuszahlungen vorsieht.

Vor einem Jahr ist Tostmann dann zum MAN-Chef befördert worden.

Hinweisgebersystem: Best Practice beim Umgang mit Hinweisen gegen das Top-Management

Aus dem MAN-Fall lassen sich einige Lehren ziehen:

  1. Bei VW scheint es einen klar geregelten Prozess zu geben, wie vorzugehen ist, wenn ein Hinweis gegen ein Mitglied des Top-Managements eingeht. Es ist wichtig, dass dieser Prozess „in Ruhe“ im Vorfeld konkreter Hinweise geregelt wird und nicht erst nach dem Eingang eines derartigen Hinweises. Das zeigt dann, dass das Vorgehen neutral und objektiv erfolgt und nicht angepasst an die Person des Beschuldigten.
  2. Anonymen Hinweisen wird nachgegangen, auch im Umfeld des Top-Managements. Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie sinnvoll dies ist.
  3. Die Ermittlungen erfolgen zentral. Der Beschuldigte hat auf das konkrete Vorgehen keinen Einfluss.
  4. Sanktionen werden verhängt durch ein Gremium, dem der Beschuldigte nicht angehört und auf das er keinen Einfluss hat.
  5. Die Höhe der Sanktion ermittelt sich aus einem vorab personenunabhängig festgelegten Bußgeldkatalog.
  6. Ein Fehlverhalten führt nicht zum Ende der Karriere, wenn die Sanktion akzeptiert wird und glaubhaft Reue gezeigt wird. Dies gilt natürlich nicht, wenn nachfolgend weiteres Fehlverhalten durch die beschuldigte Person vorkommt.

Zusammenfassung

Hinweise gegen das Top-Management eines Unternehmens oder die Leitung einer Dienststelle sind besonders sensibel. Hier ist es von besonderer Bedeutung, dass Aufklärung und Sanktionierung unabhängig von der beschuldigten Person neutral und objektiv nach vorab festgelegten Regelungen erfolgen. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass nicht der Eindruck entsteht, dass mit zweierlei Maß gemessen wird im Sinne: „Die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen“.

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Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.