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Kündigung einer Hinweisgeberin

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Falluntersuchung/ Investigation, Hinweisgeberschutz
25.01.22

Eine Hinweisgeberin erhält von der Deutschen Bahn die Kündigung. Wie ist das Verhalten des Konzerns zu beurteilen?

Dass mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz das Thema „Whistleblowing“ zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses gerät, merkt man auch daran, dass die Anzahl der Medienberichte, die sich mit der Thematik befassen, steigt. Ein sehr interessantes Beispiel sind die Berichte der Financial Times und des Handelsblattes im November 2021 über die Kündigung einer Whistleblowerin durch die Deutsche Bahn.

Der Fall

Im Jahr 2016 hatten eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn einen Hinweis abgegeben, dass es im Zusammenhang mit dem Großprojekt Stuttgart 21 zu Korruption gekommen sei. Konkret warfen die Hinweisgeber laut Financial Times hochrangigen Managern überflüssige Aufträge vor und sie vermuteten, dass diese dafür Gegenleistungen erhalten hatten. Die Kosten von Stuttgart 21 werden mittlerweile auf über 8 Mrd. € geschätzt. Ursprünglich waren 2,5 Mrd. € veranschlagt

Der Hinweis ist von der Konzernsicherheit der Deutschen Bahn untersucht worden. Der Fall ist nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.

Die Hinweisgeberin ist nachfolgend gekündigt worden. Ein Arbeitsgericht in Stuttgart hat die Kündigung als rechtens beurteilt

Wie ist das Verhalten der Deutschen Bahn zu beurteilen?

Auf der Basis der aus der Presse zu entnehmenden Informationen ist das Verhalten der Deutschen Bahn nicht zu beanstanden.

Der Hinweis wurde aufgegriffen und es gab eine mehr als einjährige interne Untersuchung durch die Konzernsicherheit. Die Kündigung der Hinweisgeberin wurde durch das Arbeitsgericht Stuttgart bestätigt. Dieses konnte keinen Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Hinweisabgabe feststellen.

Auch, dass die Deutsche Bahn den Fall nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben hat, ist ohne weitere Kenntnisse nicht zu beanstanden. Erstens gibt es hierzu keine gesetzliche Verpflichtung und zweitens wäre diese Meldung ja substanzlos, falls die internen Untersuchungen den Hinweis nicht bestätigt haben.

Der Fall im Lichte des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes

Interessant ist eine Betrachtung des Falls im Lichte des im Referentenentwurf vorliegenden Hinweisgeberschutzgesetzes. Dort ist nämlich in § 35 (2) eine Beweislastumkehr vorgesehen. Wörtlich heißt es:

„Erleidet eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit, so wir vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruht.“

Ob das Arbeitsgericht Stuttgart zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, falls das Gesetz zum Zeitpunkt des Urteils schon in Kraft gewesen wäre, kann hier natürlich nicht beurteilt werden. Sicher ist jedoch, dass es für Unternehmen deutlich schwerer werden wird Mitarbeiter zu sanktionieren, die einen Hinweis abgegeben haben.

In der weit überwiegenden Anzahl von Fällen ist es gut und richtig, dass Repressalien deutlich erschwert werden. Das ist ja gerade die Zielsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes.

Allerdings muss man auch das inhärente Missbrauchspotenzial der Beweislastumkehr zur Kenntnis nehmen. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die z.B. durch dauerhafte Schlechtleistung oder Nicht-Erscheinen am Arbeitsplatz von der Kündigung bedroht ist, kann durch Abgabe eines frei erfundenen Hinweises hohe Hürden für die Kündigung aufbauen. Daher ist, wenn das Hinweisgeberschutzgesetz in der vorliegenden Form verabschiedet werden sollte, allen Unternehmen und Dienststellen anzuraten, die Kündigungsgründe bzw. die Gründe für andere Sanktionen sehr genau zu dokumentieren, um sie in einem etwaigen Gerichtsprozess vortragen zu können.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunes, Spotify, YouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar.

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.