Hinweisgeberschutzgesetz und Betriebsrat

Veröffentlicht in Hinweisgeberschutz, Hinweisgebersysteme, Interne Meldestelle
04.10.22

In diesem Beitrag geben wir Unternehmen und Dienststellen wichtige Empfehlungen für die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat bei der Einführung und dem Betrieb von internen Meldestellen.

Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat? Wenn ja, dann ist dieser bei der betrieblichen Umsetzung des HinSchG auf jeden Fall zu beteiligen. Und zwar schon deshalb, weil der Betriebsrat laut Betriebsverfassungsgesetz über die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen wachen muss. Auch das HinSchG, das am 27.07.2022 vom Kabinett beschlossen wurde, ist natürlich ein solches Gesetz.

Schon bei der Einführung des HinSchG im Unternehmen sollte der Betriebsrat eingebunden werden. Denn nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über alles zu unterrichten, was dieser für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt. Das soll dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob Beteiligungsrechte bestehen oder ob sonstige Aufgaben wahrzunehmen sind.

Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht ein Mitbestimmungsrecht in „Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“. Während Vorgaben, die bei der Erbringung der Arbeitsleistung selbst zu beachten sind, mitbestimmungsfrei sind, da sie das Arbeitsverhalten konkretisieren, sind Anordnungen, die das Ordnungsverhalten betreffen mitbestimmungspflichtig. Diese dienen der Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufs oder der Gestaltung des Zusammenlebens und -wirkens der Arbeitnehmer im Betrieb.  Werden also im Zuge der Einführung eines Hinweisgebersystems die ohnehin bestehenden, arbeitsvertraglichen Hinweispflichten ausgedehnt oder Regelungen bezüglich des konkreten Meldeverfahrens eingeführt, ist das Ordnungsverhalten betroffen und der Betriebsrat ist einzubeziehen.

Auch sind im HinSchG zwar Einrichtung, Organisation und Arbeitsweise der internen Meldestelle umfassend beschrieben. Doch beim Thema “Meldekanäle” wird das Eis schon merklich dünner. Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht in diesem Zusammenhang lediglich vor, dass dem Whistleblower die Möglichkeit einzuräumen ist, die Meldung an die interne Meldestelle in Textform oder mündlich abzugeben. Das kann natürlich auch über ein Kommunikationssystem (Telefon) oder über digitale Kanäle erfolgen – z.B. über software- oder webbasierte Lösungen.

Damit käme dann erneut § 87 BetrVG ins Spiel. Laut Abs. 1 Ziffer 6 hat der BR bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitzubestimmen. Die Formulierung “die dazu bestimmt sind” im BetrVG ist leider etwas irreführend. Nach der inzwischen sehr extensiven Rechtsprechung genügt für die Mitbestimmungspflicht schon die „objektive Eignung“ der Einrichtung, die Beschäftigten automatisiert und selbständig zu überwachen – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dies wirklich machen möchte.

Folglich wären alle “Whistleblowing-Systeme“ in der Mitbestimmung, bei denen beispielsweise die Telefonnummer des Anrufers aufgezeichnet, ein Telefonat mitgeschnitten oder bei denen die IP-Adresse gespeichert wird – z.B. bei der Meldung per E-Mail.

Die meisten Unternehmen (zumindest aber jene mit Betriebsrat) dürften die Nutzung von IT- und Kommunikationssystemen und die Verarbeitung der Daten in entsprechenden Betriebsvereinbarungen geregelt haben. Dennoch wäre das HinSchG sicher ein guter Anlass, die bestehenden Betriebsvereinbarungen zu IT und Kommunikation einmal näher unter die Lupe zu nehmen und auf den neuesten Stand zu bringen. Denn erfahrungsgemäß schlummern solche Regelungen in Betriebsvereinbarungen über Jahre hinweg friedlich zwischen Aktendeckeln, auf Datenspeichern oder in der Unternehmenscloud.

Die Folge ist, dass manchmal Dinge geregelt sind, für die man gar keine Regelung mehr braucht, weil die betreffenden IT- oder Kommunikationssysteme längst ausgemustert wurden. Umgekehrt werden im Unternehmen nicht selten Systeme betrieben, für die es noch gar keine Regelung gibt.

Stichwort Meldestelle: Auch bei der personellen „Ausstattung“ der Meldestelle könnten sich mitbestimmungspflichtige Tatbestände gemäß § 99 BetrVG ergeben. Dort ist die Mitwirkung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen geregelt. Bei größeren Unternehmen kann die obligatorische Mitbestimmung bei Einstellungen eine Rolle spielen.

In kleineren Unternehmen wird der durch das HinSchG zu erwartende Mehraufwand die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze kaum rechtfertigen. Eher ist hier damit zu rechnen, dass Beschäftigte zusätzlich zu ihrer „normalen“ Tätigkeit mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Meldestelle betraut werden. Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht das sogar ausdrücklich vor. Denkbar wäre es deshalb, die Funktionen der Meldestelle – soweit vorhanden – beim Compliance Officer anzusiedeln oder beim Datenschutzbeauftragten. Zu prüfen wäre dann allenfalls, ob es sich im konkreten Fall um eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG handelt oder lediglich um eine „Aufgabenerweiterung“. Eine Versetzung läge vor, wenn die Zuweisung der „neuen“ Arbeitsaufgaben (also die Wahrnehmung der Aufgaben der Meldestelle) voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die Arbeitsaufgaben von den bisherigen erheblich abweichen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Arbeitgeber in einem Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Beschäftigten den Betriebsrat vor der Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskunft über die beteiligten Personen zu geben. In bestimmten Fällen kann der BR die Zustimmung verweigern, wofür das BetrVG aber recht enge Grenzen setzt.

Wird eine Person versetzt, wäre denkbar, dass eine Umgruppierung – zum Beispiel eine Höhergruppierung – zu erfolgen hätte. Voraussetzung dafür ist, dass die Eingruppierung in einem Tarifvertrag geregelt ist oder, wenn das Unternehmen keiner Tarifbindung unterliegt, in einem betrieblichen Eingruppierungsschema.

All dies würde natürlich entfallen, wenn die interne Meldestelle durch einen externen Dienstleister betrieben wird.

Allgemein misst das BetrVG der beruflichen Fortbildung einen hohen Stellenwert zu. Genau das tut auch der Referentenentwurf zum HinSchG. Laut Hinweisgeberschutzgesetz hat der Beschäftigungsgeber dafür Sorge zu tragen, dass die mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragten Personen die notwendige Fachkunde aufweisen.

Bezüglich der ggfs. erforderlichen Teilnahme an außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen (§ 96 Abs. 1, § 97 BetrVG) hat der BR ein Recht auf Unterrichtung, Anhörung und Beratung sowie Vorschlagsrechte, allerdings kein Mitbestimmungsrecht. Ein Mitbestimmungsrecht räumt das BetrVG dem BR nur bei innerbetrieblichen Schulungsmaßnahmen ein. In diesem Fall kann der BR die vom Arbeitgeber mit der Durchführung der Schulung beauftragte Person „ablehnen“, wenn diese offensichtlich nicht die dafür erforderliche fachliche oder persönliche Eignung besitzt.

Darüber hinaus sollte das Unternehmen allen Beschäftigten klare und leicht zugängliche Informationen zum unternehmensinternen Hinweisgebersystem bereitstellen. Dies kann zum Beispiel über das Intranet des Unternehmens oder durch betriebsinterne Schulungen erfolgen. Entscheidet man sich für Schulungen, sind auch hier die Mitbestimmungsrechte des BR zu wahren.

Im Sinne einer möglichst einheitlichen Regelung sollte die Abstimmung mit dem – soweit vorhanden – Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat erfolgen.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunesSpotifyYouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar.

Post by Martin Walter

Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.