Ob in einem Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung, ob fehlerhafte Produkte, Korruptionsfälle oder die Verschwendung von Steuergeldern: Whistleblower decken Missstände auf und machen sie publik. Für die einen sind sie Helden, für die anderen sind sie Denunzianten oder gar Verräter. Doch der Trend ist eindeutig: Immer mehr Organisationen wollen frühzeitig Hinweise bekommen, wenn etwas schiefläuft, wollen diesen nachgehen und so Schaden vermeiden oder zumindest minimieren.
Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, dass in der Vergangenheit einige hinweisgebende Personen teuer für die Offenlegung der Verfehlungen ihrer Organisationen bezahlen mussten. Genau hier setzt das neue, derzeit als Referentenentwurf vorliegende Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) an. Es hat zum Ziel hinweisgebende Personen zu schützen und jegliche Form von Repressalien zu verhindern.
Einige der Fälle, in denen Whistleblower in der Vergangenheit Schaden genommen haben, wollen wir uns in diesem Beitrag näher ansehen und anschließend klären, ob dies hätte verhindert werden können, wenn die juristische Aufarbeitung der Fälle in einem Umfeld erfolgt wäre, in dem das neue, im Referentenentwurf vorliegende Gesetz Anwendung gefunden hätte.
Zu den bekanntesten Whistleblowern der Gegenwart gehört zweifellos Edward Snowden, der bis Mai 2013 als technische Fachkraft für die US-amerikanischen Geheimdienste CIA, NSA und DIA arbeitete. Seine Enthüllungen gaben Einblicke in das Ausmaß der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten – überwiegend jenen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens – und lösten im Sommer 2013 die sogenannte NSA-Affäre aus.
Anfang des Jahres 2013 wandte sich Snowden zunächst anonym an die Dokumentarfilmerin Laura Poitras und an den Journalisten Gleen Greenwald. Snowden übermittelte ihnen geheime Informationen über US-amerikanische Programme zur Überwachung der weltweiten Internetkommunikation sowie das noch umfassendere britische Überwachungsprogramm Tempora. Insgesamt hatte Snowden 1,7 Millionen Dateien kopiert.
Im Mai 2013 flog Edward Snowden nach Hong Kong. Von dort aus schickte er die geheimen Dokumente an die Zeitungen „Washington Post“ und „The Guardian“ – zunächst ohne seine Identität preiszugeben.
Am 9. Juni 2013 gab sich Snowden in Hongkong als Informant zu erkennen. Daraufhin erwirkte das FBI mit einer Strafanzeige wegen Diebstahl von Regierungseigentum, widerrechtlicher Weitergabe geheimer Informationen und Spionage einen Haftbefehl gegen den Whistleblower. Snowden konnte Hongkong verlassen, saß dann aber für längere Zeit im Transitbereich eines internationalen Flughafens in Moskau fest. Am 1. August 2013 vermeldete die Presse, dass Snowden von Russland Asyl erhalten habe.
Rechtliche Bewertung
Auch das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) hätte Edward Snowden nicht vor einer Strafverfolgung geschützt, da der Verrat von militärischen Geheimnissen nicht in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) fällt. Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) regelt in § 5 den Vorrang von Sicherheitsinteressen sowie Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten. Darunter fallen unter anderem Informationen, die die nationale Sicherheit und insbesondere militärische Belange des Geschäftsbereiches des Bundesministeriums der Verteidigung betreffen.
Whistleblower-Fall 2 – Gammelfleisch: Miroslav Strecker
Gefeuert und ohne Job – so erging es dem Lkw-Fahrer Miroslav Strecker, der 2007 den sogenannten Gammelfleisch-Skandal ans Licht brachte. In dessen Verlauf wurde der Betrieb Wertfleisch GmbH geschlossen und sein Geschäftsführer zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Wenig später musste außerdem der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf seinen Hut nehmen.
Im August 2007 war Strecker Zeuge einer Umetikettierung geworden, die minderwertiges Fleisch als Lebensmittel deklarierte. Mehrere Versuche, den Fall publik zu machen, scheiterten zunächst. Der Trucker beharrte aber auf weiteren Ermittlungen, da er die Lieferpapiere als Beweis präsentieren konnte. Daraufhin ermittelte die Polizei weiter. Die zuständigen Behörden reagierten allerdings erst spät, schlossen aber dann den Betrieb. Sie stellten fest, dass die Firma insgesamt 150 Tonnen Fleischabfälle mit gefälschten Labels an Berliner Dönerhersteller weiterverkauft hatte.
Hinweisgeber Strecker wurde nach dem Auffliegen des Skandals durch die einschlägigen TV-Shows gereicht, in der Presse als moderner „Held“ gefeiert und mit Auszeichnungen dekoriert. Viel genutzt hat ihm das aber zunächst nichts. Mobbing am Arbeitsplatz führte schließlich zu seiner Kündigung. Auch deshalb gilt der Lkw-Fahrer vielen als Beispiel für Menschen, die Zivilcourage beweisen, obwohl sie persönlich unter den negativen Folgen leiden.
Rechtliche Bewertung
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) hätte Miroslav Strecker vor einer Strafverfolgung und vor Repressalien wie einer Kündigung geschützt, da Meldungen von Informationen zur Lebensmittelsicherheit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) in den sachlichen Anwendungsbereichsbereich fallen und die hinweisgebende Person somit geschützt ist.
Whistleblower-Fall 3 – Catering bei Tönnies
Der letzte Fall in diesem Beitrag hat wieder etwas mit der Fleischbranche zu tun. Im Frühjahr 2020, als die erste Coronawelle über Deutschland hinwegschwappte, wurde die Mitarbeiterin einer Cateringfirma entlassen, weil sie ein Video aus der Kantine des Schlachtbetriebs Tönnies im Internet gepostet hatte. Die Cateringfirma betrieb damals die Kantine des Betriebs von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Das Video zeigte, dass die Beschäftigten dort an langen Tischen ihre Mahlzeiten einnehmen mussten, ohne dass der gebotene Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten wurde.
Der Mitarbeiterin wurde von der Catering-Firma noch im April 2020 fristlos gekündigt, zudem erteilte Tönnies ihr ein Hausverbot. Am 10. September 2020 kam es vor dem Arbeitsgericht Bielefeld zu einem Vergleich. Die außerordentliche Kündigung der Mitarbeiterin wurde in eine ordentliche Kündigung umgewandelt. Zusätzlich erhielt die Frau eine Abfindung in Höhe von 20.000 Euro.
Rechtliche Bewertung
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) hätte die Mitarbeiterin der Cateringfirma nicht geschützt.
Unzweifelhaft zeigte sie einen rechtswidrigen Sachverhalt an: Die Nichteinhaltung der im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie eingeführten Abstandsregelung von mindestens 1,5 Metern. Jedoch beschritt die Mitarbeiterin den falschen Weg, indem sie ihren Hinweis in Social Mediakanälen veröffentlicht hat. Richtig hätte sie gehandelt, wenn sie ihren Hinweis an eine interne oder externe Meldestelle gemeldet hätte.
In diesem Zusammenhang ist auf den § 31 des Hinweisgeberschutzgesetzes hinzuweisen. Gemäß § 31 Nr. 2 a) fällt die hinweisgebende Person unter die Schutzmaßnahmen des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG), sobald die hinweisgebende Person hinreichend Grund zu der Annahme hatte, dass der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann. In diesem Fall zeigte das von der Cateringmitarbeiterin aufgenommene Video, wie die Mitarbeiter der Firma Tönnies während der Corona-Pandemie in einer Cafeteria eng nebeneinandersaßen und ihre Mahlzeit einnahmen. Das öffentliche Interesse könnte hier in der Gefahr der Übertragung von COVID-19 und damit die Nichteindämmung der Corona-Pandemie darstellen. Aber auch dann hätte die Mitarbeiterin der Cateringfirma sich an das Gesundheitsamt wenden können und ihren Hinweis dort offenlegen können. Zumal ist die ungesteuerte Publizierung in Social Mediakanälen nicht mit dem in Deutschland geltenden Loyalitätsgrundsatz vereinbar, sodass ein Schutz durch das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) nicht in Betracht kommt. Der Mitarbeiterin der Cateringfirma konnte demnach ordentlich gekündigt werden.
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Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
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