Gute Whistleblower, böse Whistleblower!

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Interne Meldestelle, Meldekanäle, Meldestelle und Datenschutz
02.11.21

Nicht alle hinweisgebenden Personen sind gleich. Vom integren Whistleblower, der uneigennützig auf Fehlverhalten hinweist bis hin zu bewusst falschen Meldungen: Auch wenn statistisch gesehen die weit überwiegende Anzahl der Hinweise in gutem Glauben abgegeben werden, alles kommt vor! Wie kann ein Unternehmen oder eine Dienststelle mit dieser Situation umgehen?

Geht ein offener oder anonymer Hinweis bei der internen Meldestelle ein, ist zunächst unklar, ob auf Fehlverhalten hingewiesen werden soll oder ob der Whistleblower eine ganz eigene Agenda verfolgt. Es ist die erste Hauptaufgabe der nachfolgenden internen Untersuchung herauszufinden, ob der Hinweis wirklich stichhaltig ist. Ein wesentlicher Einflussfaktor dabei ist die Frage nach der Motivation des Whistleblowers. Dieser Aspekt soll nachfolgend näher betrachtet werden.

Auf Fehlverhalten aufmerksam machen

Wie sieht der Idealfall einer Hinweisabgabe und der nachfolgenden Hinweisbearbeitung aus?

Ein integrer Mitarbeiter oder eine integre Mitarbeiterin erkennen compliancerelevantes Fehlverhalten im Unternehmen bzw. der Dienststelle. Er bzw. sie wendet sich persönlich an den Vorgesetzten und weist uneigennützig auf das Fehlverhalten hin. Dieser ergreift daraufhin umgehen alle erforderlichen korrektiven Maßnahmen.

So verstanden wird ein Hinweisgebersystem zu einem Instrument der Fehlerfrüherkennung und Produktivitätssteigerung. Voraussetzung hierfür ist aber eine entsprechende Unternehmenskultur, in der Hinweise geschätzt und nicht als Denunziantentum abgetan werden.

Leider fällt nicht jeder in gutem Glauben abgegebene Hinweis auf derart fruchtbaren Boden. Das kann dann entweder daran liegen, dass die entsprechende Unternehmenskultur nicht vorhanden ist, dass die Kompetenz im Umgang mit Hinweisen nicht vorhanden ist oder dass Personen in die Hinweisbearbeitung involviert sind, die durch den Hinweis selbst belastet werden und folglich an der Aufklärung keinerlei Interesse haben. Im schlimmsten Fall werden sie dem Whistleblower sogar schaden.

Um dies zu verhindern, wird demnächst im Einklang mit einer bereits verabschiedeten EU-Directive in Deutschland ein Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet werden, das anonyme Hinweisabgabe erlaubt und Repressalien gegen Hinweisgeber sanktioniert.

Ein bekanntes Beispiel für einen integren Hinweisgeber in einer nicht-integren Organisation stellt Pav Gill in der Wirecard AG dar, dessen Fall wir in unseren Blogs bereits mehrmals thematisiert haben.

Eigene Vorteile sichern

Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn die hinweisgebende Person zutreffend auf Fehlverhalten im Unternehmen bzw. der Dienststelle hinweist, aber dies nicht uneigennützig tut, sondern einen materiellen Vorteil, z.B. in Form von Geld oder eines beruflichen Aufstiegs erwartet.

In diesem Fall muss seitens der Organisation die schwierige Entscheidung getroffen werden, ob auf die Forderungen eingegangen werden soll. Einflussfaktoren auf diese Entscheidung sind die Höhe des durch die Hinweisabgabe künftig vermeidbaren Schadens, das Ausmaß des Schadens, den der Whistleblower gegebenenfalls erlitten hat, sowie die Überlegung, ob man einen Präzedenzfall schaffen oder im Gegenteil vermeiden will.

Beispielhaft hierfür sei an dieser Stelle der Fall Inan Koc erwähnt, eines ehemaligen Vertriebsleiters mehrerer Vodafone-Partnershops, über den im September 2021 der Spiegel berichtete. Koc informierte Vodafone über Fraud in den Partnershops sowie über Sicherheitslücken in den konzerneigenen IT-Systemen. Koc verlangte von Vodafone 900t Euro netto sowie eine Beratertätigkeit. Vodafone bot Koc 200t Euro an, dieser lehnte ab. Seitdem streitet man sich vor Gericht. 

Anderen Schaden

Zum Glück kommt selten der Fall vor, dass die hinweisgebende Person unlauter handelt und bewusst einen falschen Hinweis abgibt, um einer dritten Person zu schaden. Die Motive hierfür können vielfältig sein: Ein privater Konflikt, eine berufliche Konkurrenzsituation oder auch der Versuch, von eigenem Fehlverhalten abzulenken.

Das Unternehmen oder die Dienststelle muss unmissverständlich klarstellen, dass eine bewusst falsche Hinweisabgabe ein schwerwiegendes Fehlverhalten darstellt und dementsprechend sanktioniert wird. In diesem Sinne ist in § 37 des Referentenentwurfs zum Hinweisgeberschutzgesetz geregelt, dass die hinweisgebende Person zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist.

Eine weitere Konsequenz des Vorkommens falscher Hinweise ist es, dass die in einer Meldung beschuldigte Person bis zum Beweis der Richtigkeit der Meldung als unschuldig zu betrachten ist.

Konsequenzen für Unternehmen und Dienststellen

Die allermeisten Hinweise auf Fehlverhalten werden in lauterer Absicht abgegeben und helfen, Schaden zu begrenzen und künftigen Schaden zu vermeiden. Aber es kommt eben auch vor, dass eine hinweisgebende Person bewusst eine Falschmeldung abgibt oder dass materielle Interessen der Hauptgrund für die Hinweisabgabe sind.

Daher muss das Unternehmen oder die Dienststelle bis zum Beweis des Gegenteils für beschuldigte Personen die Unschuldsvermutung gelten lassen, deutlich kommunizieren, dass eine bewusst falsche Meldung sanktioniert wird und im Fall materieller Interessen der hinweisgebenden Person im Einzelfall entscheiden, wie auf die entsprechenden Forderungen eingegangen werden soll. 

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunes, Spotify, YouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar. 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

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