Müssen auch beschuldigte Personen geschützt werden?

Veröffentlicht in Allgemeines zum Thema Whistleblowing, Hinweisgeberschutz, Interne Meldestelle, Meldekanäle
10.05.22

Die EU-Whistleblower-Richtlinie ist in Kraft und der neue Referentenentwurf für das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz liegt mittlerweile vor. Das Gesetz schützt – wie der Name schon sagt – Whistleblower. Aber müssen nicht auch die von Whistleblowern beschuldigten Personen geschützt werden?

Ausgangslage

Benötigen von Whistleblowern beschuldigte Personen Schutz? Diese Frage mag auf den ersten Blick befremdlich erscheinen. Sind es doch die hinweisgebenden Personen selbst, die mitunter aufgrund ihrer Meldung Nachteile zu erleiden haben und somit geschützt werden müssen. Letzteres steht auch völlig außer Frage und das ist ja auch die richtige und wichtige Zielsetzung der EU-Richtlinie- Whistleblowing und des kommenden deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes.

Aber Hinweisgebersysteme können missbraucht werden. In einem vorherigen Blog hatten wir bereits definiert, was man unter Missbrauch versteht.

Der Missbrauch eines Hinweisgebersystems ist die bewusst falsche Meldung eines unterstellten Fehlverhaltens einer im Unternehmen oder der Dienststelle beschäftigten Person.

Nicht als Missbrauch zu werten sind hingegen

  • die Abgabe eines unwissentlich falschen Hinweises und
  • die Abgabe einer Meldung im falschen Meldekanal; so kommt es beispielsweise häufig vor, dass in einem Hinweisgebersystem fälschlicherweise Kundenbeschwerden abgegeben werden.

Dr. Martin Walter, geschäftsführender Gesellschafter der Hinweisgebersystem24 GmbH, hat als Lehrbeauftragter der TU Dresden eine empirische Untersuchung durchgeführt zum Thema „Missbrauch von Hinweisgebersystemen“. Diese ist 2021 publiziert worden in „Ruhmannseder/ Behr/ Krakow (Hrsg.), Hinweisgebersysteme“. Das Ergebnis der Untersuchung basiert auf den Antworten von 43 Unternehmen und kam zu dem Ergebnis, dass fast 90% aller Hinweise in guter Absicht abgegeben werden.

So erfreulich dieser hohe Prozentsatz ist, es zeigt sich aber auch, dass rund 10% der Hinweise bewusst falsch abgegeben werden.

Konsequenzen

Wenn auch nur zu einem geringen Prozentsatz: Missbrauch von Hinweisgebersystemen kommt vor! Und es kommt natürlich auch vor, dass Hinweise in guter Absicht abgegeben werden, aber trotzdem inhaltlich falsch sind. Das zeigt, dass es geeigneter Schutzmechanismen für beschuldigte Personen bedarf.

An erster Stelle ist in den Unternehmen und Dienststellen das rechtsstaatliche Prinzip zwingend zu beachten, dass in Hinweisen beschuldigte Personen bis zum Beweis des Gegenteils zwingend als unschuldig gelten müssen. Das gilt bei etwaigen internen Untersuchungen, aber auch für die interne Kommunikation und das interne Reporting zum Fall. Vertraulichkeit ist oberstes Gebot!

Der Schutz beschuldigter Personen kann durch das Unternehmen oder die Dienststelle weiter erhöht werden, wenn intern deutlich kommuniziert wird, dass der Missbrauch des Hinweisgebersystems durch eine bewusste Falschmeldung ein schwerwiegender Complianceverstoß ist, der entsprechend sanktioniert wird.

Aber auch das neue Hinweisgeberschutzgesetz wird zum Schutz missbräuchlich beschuldigter Personen beitragen. Es enthält im neuen Referentenentwurf folgende Regelungen:

  • das Verfahren für interne und für externe Meldungen sieht zwingend eine Stichhaltigkeitsprüfung vor; missbräuchliche und in guter Absicht abgegebene, aber dennoch falsche Meldungen können so u.U. aufgedeckt werden (§17 HinSchG-E),
  • eine Klarstellung, dass der Hinweisgeberschutz nicht gilt für Personen, die bewusst falsche Hinweise abgeben (§33 HinSchG-E),
  • eine Verpflichtung der hinweisgebenden Person zum Ersatz aller Schäden, die aus der missbräuchlichen Meldung erstanden sind (§38 HinSchG-E)
  • eine Bußgeldvorschrift für die Offenlegung bewusst falscher Hinweise (§40 HinSchG-E).

Zusammenfassung

Nicht nur Hinweisgeber, auch in Hinweisen beschuldigte Personen müssen geschützt werden, bis zum Beweis des Gegenteils müssen sie als unschuldig gelten. Flankiert wird dies durch Strafandrohung für bewusste Falschmeldungen durch das Unternehmen oder die Dienststelle und den Staat. Personen, die bewusst falsche Hinweise abgeben fallen nicht unter den Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes.

Wenn Sie sich über dieses Thema weiter informieren möchten, hören Sie gerne unseren Podcast WHISTLEpedia. Er ist bei iTunesSpotifyYouTube oder direkt hier auf der Seite kostenlos hörbar.

 

Post by Stephan Rheinwald

Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.

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