Bis zum 17.12.2021 hätte Deutschland ein Hinweisgeberschutzgesetz schaffen müssen durch das Hinweisgeber besser geschützt werden. Diese Frist ist verstrichen und inzwischen hat die EU-Kommission ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat bislang noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Der Entwurf werde „so schnell wie möglich“ kommen, teilte das Ministerium dem Handelsblatt auf Anfrage mit.
Lesen Sie zum Thema auch die Stellungnahme von Transparency International Deutschland:
Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Hinweisgebersystem – wieviel Prozent der Meldungen sind missbräuchlich?
Ein Hinweisgebersystem ist ein Instrument, um frühzeitig Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle zu entdecken und Schaden zu verhindern bzw. zu minimieren. Aber dieses Instrument kann auch missbraucht werden. Die zentrale Frage ist somit, wie häufig das vorkommt. Sind bewusst falsche Meldungen bedauerliche Einzelfälle oder stellen sie doch einen hohen Prozentsatz der Meldungen dar? Antwort gibt eine empirische Untersuchung.
Definition
In einem vorherigen Blog hatten wir bereits definiert, was man unter Missbrauch versteht.
Der Missbrauch eines Hinweisgebersystems ist die bewusst falsche Meldung eines unterstellten Fehlverhaltens einer im Unternehmen oder der Dienststelle beschäftigten Person.
Nicht als Missbrauch zu werten sind hingegen
die Abgabe eines unwissentlich falschen Hinweises und
die Abgabe einer Meldung im falschen Meldekanal; so kommt es beispielsweise häufig vor, dass in einem Hinweisgebersystem fälschlicherweise Kundenbeschwerden abgegeben werden.
Die empirische Untersuchung
Dr. Martin Walter, geschäftsführender Gesellschafter der Hinweisgebersystem24 GmbH, hat als Lehrbeauftragter der TU Dresden eine empirische Untersuchung durchgeführt zum Thema „Missbrauch von Hinweisgebersystemen“. Diese ist 2021 publiziert worden in „Ruhmannseder/ Behr/ Krakow (Hrsg.), Hinweisgebersysteme“. Das Ergebnis der Untersuchung basiert auf den Antworten von 43 Unternehmen.
Das Ergebnis
Bei 84% der Hinweise liegt nach Aussage der teilnehmenden 43 Unternehmen mit Sicherheit kein Missbrauch vor. Bei 6% der Hinweise blieb bis zum Ende der Untersuchungen unklar, ob es sich um Missbrauch handelte. Als Kernaussage lässt sich somit festhalten:
Fast 90% aller Hinweise werden in guter Absicht abgegeben.
Dieser hohe Prozentsatz unterstreicht eindrucksvoll die Berechtigung und Bedeutung von Hinweisgebersystemen. Richtig eingesetzt leisten sie einen großen Beitrag zum frühzeitigen Erkennen von Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle.
Gleichzeitig bedeutet das Ergebnis aber auch, dass rund 10% der Hinweise bewusst falsch abgegeben werden. Hieraus gilt es, einige Lehren zu ziehen:
Den Mitarbeitenden muss durch geeignete Kommunikationsmaßnahmen deutlich gemacht werden, dass das Unternehmen oder die Dienststelle mit der Einrichtung eines Hinweisgebersystems einen Vertrauensvorschuss gibt, den es zu rechtfertigen gilt.
Ebenso muss kommuniziert werden, dass der Missbrauch des Systems durch eine bewusste Falschmeldung ein schwerwiegender Complianceverstoß ist, der entsprechend sanktioniert wird.
In Hinweisen beschuldigte Personen müssen bis zum Beweis des Gegenteils zwingend als unschuldig gelten. Die Meldung kann ja bewusst falsch sein oder in guter Absicht abgegeben worden sein, aber letztlich doch unzutreffend.
Zusammenfassung
Fast 90% aller Hinweise werden in guter Absicht abgegeben. Das Instrument „Hinweisgebersystem“ bewährt sich also. Aus der Tatsache, dass 10% der Meldungen bewusst falsch sind, müssen entsprechende Konsequenzen für die interne Kommunikation und das Fallmanagement gezogen werden.
Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Ein Hinweisgebersystem ist ein Instrument, um frühzeitig Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle zu entdecken und Schaden zu verhindern bzw. zu minimieren. Aber kann dieses Instrument nicht auch missbraucht werden? Diese Frage stellen sich viele Unternehmen und Dienststellen, die sich mit der Einführung eines Hinweisgebersystems befassen.
Definition und mögliche Gründe für einen Missbrauch von einem Hinweisgebersystem
Stellen wir zunächst die Frage, was man unter Missbrauch versteht.
Definition: Der Missbrauch eines Hinweisgebersystems ist die bewusst falsche Meldung eines unterstellten Fehlverhaltens einer im Unternehmen oder der Dienststelle beschäftigten Person.
Nicht als Missbrauch zu werten sind hingegen
die Abgabe eines unwissentlich falschen Hinweises und
die Abgabe einer Meldung im falschen Meldekanal; so kommt es beispielsweise häufig vor, dass in einem Hinweisgebersystem fälschlicherweise Kundenbeschwerden abgegeben werden.
Was können Gründe sein für einen Missbrauch eines Hinweisgebersystems? Die Gründe können höchst unterschiedlicher Art sein, etwa
die bewusste Schädigung der im Hinweis beschuldigten Person,
Langeweile am Arbeitsplatz,
die Schädigung eines Wettbewerbers – wenn ein Lieferant einen Hinweis abgibt,
die hinweisgebende Person will sich durch die Abgabe eines falschen Hinweises schützen – das Hinweisgeberschutzgesetz sieht im bisherigen Entwurf eine Beweislastumkehr vor bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über Benachteiligungen einer hinweisgebenden Person nach der Hinweisabgabe.
Die Konsequenzen der Missbrauchsgefahr von einem Hinweisgebersystem
Die wichtigste Konsequenz für Unternehmen und Dienststellen ist sicherlich: Es gilt die Unschuldsvermutung! Da Hinweise wie dargestellt bewusst oder unbewusst falsch sein können, muss eine im Hinweis beschuldigte Person bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig gelten. Nichts ist für das Ansehen des Instruments „Whistleblowing“ schädlicher als die Benachteiligung einer Person, die sich im Nachhinein als unschuldig erweist.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang darüber hinaus eine geeignete interne Kommunikation, die einerseits die Mitarbeitenden darum bittet, nur zutreffende Hinweise abzugeben und andererseits aber auch unmissverständlich darauf hinweist, dass der Missbrauch eines Hinweisgebersystems selbst ein schwerwiegender Complianceverstoß ist und daher entsprechend sanktioniert wird.
Zusammenfassung
Ein Hinweisgebersystem kann aus unterschiedlichsten Gründen missbraucht werden. Wichtig ist daher die Beachtung der Unschuldsvermutung nach Eingang eines Hinweises und vorab – quasi zur Abschreckung – eine geeignete interne Kommunikation der nach einem Missbrauch drohenden Sanktionen.
Missbrauch von Hinweisgebersystemen kommt vor. Wie häufig bzw. wie selten dies geschieht, wird Thema eines der nächsten Blogbeiträge sein.
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Stephan Rheinwald ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH und der Compliance Officer Services GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Wozu brauche ich ein Hinweisgebersystem? Diese Frage stellen sich aktuell viele Unternehmen und Dienststellen. Gute Antworten gibt Dr. Michael Nuster, Gründer der Firma inecos in Wien.
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Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Die EU Directive Whistleblowing ist in Kraft. Die Umsetzung in nationales Recht ist bisher nicht erfolgt. Welche Regelungen gelten denn nun?
Während die EU Directive Whistleblowing seit 2019in Kraft ist, ist die Umsetzung in nationales Recht in Deutschland bisher nicht erfolgt. Dies hätte eigentlich bis zum 17.12.2021 erfolgen müssen. Hieraus resultieren Rechtsunsicherheiten.
Der aktuelle Stand in Deutschland
Die große Koalition hat sich bis zum Ende der abgelaufenen Legislaturperiode nicht auf ein neues Hinweisgeberschutzgesetz einigen können. Eigentlich hätte die Umsetzung bis zum 17.12.2021 erfolgen müssen, dies gelang jedoch nicht. Zwar wurde vom SPD-geführten Justizministerium ein vieldiskutierter Referentenentwurf vorgelegt, nicht alle Passagen fanden jedoch die Zustimmung der CDU/ CSU.
Die neue Koalition hat sich im Koalitionsvertrag eindeutig zum Hinweisgeberschutz bekannt (Zitat):
„Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.“
Es ist also nicht eine Frage des „ob“, sondern nur des „wann“, wann das neue Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft treten wird.
Wie ist die aktuelle rechtliche Situation zu beurteilen?
In der derzeitigen Situation stellt sich die Frage, ob zumindest Teile der EU Directive Whistleblowing in Deutschland unmittelbar gelten. Besonders wichtig ist die Frage, ob sich Hinweisgeber derzeit unmittelbar auf die EU-Richtlinie berufen können, wenn sie benachteiligt werden.
Europäische Richtlinien können nach Ablauf ihrer vorgegebenen Umsetzungsfrist – und dieser Fall ist ja jetzt eingetreten – auch ohne nationales Umsetzungsgesetz anwendbar sein. Dies gilt, wenn die Bestimmungen in der EU Directive so eindeutig sind, dass sie keiner weiteren Konkretisierung durch den nationalen Gesetzgeber bedürfen. Dann ist – jedenfalls im Verhältnis zwischen Bürger und Staat – von einer unmittelbaren Anwendbarkeit auszugehen, obwohl eigentlich nur die Mitgliedstaaten Adressaten der EU-Richtlinie sind. Betroffene Bürger können sich somit bei einschlägiger Verletzung ihrer Rechte gegenüber dem Staat auf die EU Directive berufen, auch wenn es keine Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht gegeben hat.
Stehen sich allerdings zwei privateParteien wie etwa Arbeitgeber und Arbeitnehmender gegenüber, so ist die unmittelbare Anwendbarkeit der EU-Richtlinie umstritten. Es spricht viel dafür, dass in diesem Fall der Pflicht für Unternehmen zur Einrichtung eines internen Meldekanals für Whistleblower gemäß der EU Directive Whistleblowing formal keine Direktwirkung zukommt, sich Betroffene/ Hinweisgeber vor Arbeitsgerichten aber bereits heute auf den durch die EU-Directive Whistleblowing normierten Schutz vor Repressalien berufen können. Dies gilt jedenfalls, soweit es in den Verfahren um Verstöße gegen EU-Recht geht.
Man kann eine gewisse Analogie zu den relativ neuen EUGH-Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung ziehen. Auch diese werden von Deutschen Arbeitsgerichten zur Grundlage ihrer Rechtsprechung gemacht, obwohl es weiterhin an einer nationalen gesetzlichen Umsetzung der Vorgaben fehlt.
Konsequenzen für Unternehmen und Dienststellen
In Anbetracht der Tatsache, dass das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit in diesem Jahr erfolgen wird und der existierenden Rechtsunsicherheit über eine unmittelbare Wirkung der EU Directive kann Unternehmen angeraten werden, die Implementierung eines Hinweisgebersystems nicht länger hinauszuschieben. Dies gilt noch mehr für Dienststellen, da für diese bereits heute von einer unmittelbaren Anwendbarkeit auszugehen ist.
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Eine Hinweisgeberin erhält von der Deutschen Bahn die Kündigung. Wie ist das Verhalten des Konzerns zu beurteilen?
Dass mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz das Thema „Whistleblowing“ zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses gerät, merkt man auch daran, dass die Anzahl der Medienberichte, die sich mit der Thematik befassen, steigt. Ein sehr interessantes Beispiel sind die Berichte der Financial Times und des Handelsblattes im November 2021 über die Kündigung einer Whistleblowerin durch die Deutsche Bahn.
Der Fall
Im Jahr 2016 hatten eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn einen Hinweis abgegeben, dass es im Zusammenhang mit dem Großprojekt Stuttgart 21 zu Korruption gekommen sei. Konkret warfen die Hinweisgeber laut Financial Times hochrangigen Managern überflüssige Aufträge vor und sie vermuteten, dass diese dafür Gegenleistungen erhalten hatten. Die Kosten von Stuttgart 21 werden mittlerweile auf über 8 Mrd. € geschätzt. Ursprünglich waren 2,5 Mrd. € veranschlagt
Der Hinweis ist von der Konzernsicherheit der Deutschen Bahn untersucht worden. Der Fall ist nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.
Die Hinweisgeberin ist nachfolgend gekündigt worden. Ein Arbeitsgericht in Stuttgart hat die Kündigung als rechtens beurteilt
Wie ist das Verhalten der Deutschen Bahn zu beurteilen?
Auf der Basis der aus der Presse zu entnehmenden Informationen ist das Verhalten der Deutschen Bahn nicht zu beanstanden.
Der Hinweis wurde aufgegriffen und es gab eine mehr als einjährige interne Untersuchung durch die Konzernsicherheit. Die Kündigung der Hinweisgeberin wurde durch das Arbeitsgericht Stuttgart bestätigt. Dieses konnte keinen Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Hinweisabgabe feststellen.
Auch, dass die Deutsche Bahn den Fall nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben hat, ist ohne weitere Kenntnisse nicht zu beanstanden. Erstens gibt es hierzu keine gesetzliche Verpflichtung und zweitens wäre diese Meldung ja substanzlos, falls die internen Untersuchungen den Hinweis nicht bestätigt haben.
Der Fall im Lichte des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes
Interessant ist eine Betrachtung des Falls im Lichte des im Referentenentwurf vorliegenden Hinweisgeberschutzgesetzes. Dort ist nämlich in § 35 (2) eine Beweislastumkehr vorgesehen. Wörtlich heißt es:
„Erleidet eine hinweisgebende Person nach einer Meldung oder Offenlegung eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit, so wir vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruht.“
Ob das Arbeitsgericht Stuttgart zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, falls das Gesetz zum Zeitpunkt des Urteils schon in Kraft gewesen wäre, kann hier natürlich nicht beurteilt werden. Sicher ist jedoch, dass es für Unternehmen deutlich schwerer werden wird Mitarbeiter zu sanktionieren, die einen Hinweis abgegeben haben.
In der weit überwiegenden Anzahl von Fällen ist es gut und richtig, dass Repressalien deutlich erschwert werden. Das ist ja gerade die Zielsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes.
Allerdings muss man auch das inhärente Missbrauchspotenzial der Beweislastumkehr zur Kenntnis nehmen. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die z.B. durch dauerhafte Schlechtleistung oder Nicht-Erscheinen am Arbeitsplatz von der Kündigung bedroht ist, kann durch Abgabe eines frei erfundenen Hinweises hohe Hürden für die Kündigung aufbauen. Daher ist, wenn das Hinweisgeberschutzgesetz in der vorliegenden Form verabschiedet werden sollte, allen Unternehmen und Dienststellen anzuraten, die Kündigungsgründe bzw. die Gründe für andere Sanktionen sehr genau zu dokumentieren, um sie in einem etwaigen Gerichtsprozess vortragen zu können.
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Whistleblowing – Hinweisgeberschutz und Datenschutz
Die Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen einerseits und personenbezogene Daten andererseits: beide werden geschützt. Aber passt das überhaupt zusammen?
Grundsätzliche datenschutzrechtliche Überlegungen bei der Einführung eines Hinweisgebersystems
Schon lange ist darüber diskutiert worden, ob Hinweisgebersysteme mit dem geltenden Datenschutzrecht kompatibel sind. In letzterem gilt nämlich ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h., dass personenbezogene Daten nur dann verarbeitet werden dürfen, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage besteht.
So ist eine Verarbeitung u.a. dann rechtmäßig, wenn
eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt,
die Verarbeitung zur Vertragserfüllung notwendig ist,
die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung notwendig ist ODER
wenn die Verarbeitung zur Wahrung des berechtigten Interesses des Datenverarbeiters oder eines Dritten notwendig ist – sofern nicht die berechtigten Interessen der betroffenen Person überwiegen.
Bisher wird als rechtliche Grundlage in der Regel das berechtigte Interesse des Unternehmens an der Kenntnis von Fehlverhalten angeführt. Durch die o.a. Einschränkung – sofern nicht die berechtigten Interessen der betroffenen Person überwiegen – verbleibt jedoch immer eine Rechtsunsicherheit.
Nach Einführung des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) wird die Rechtslage eindeutig sein. § 12 beinhaltet die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle. Nach § 10 sind Meldestellen zudem explizit befugt, personenbezogene Daten zu verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
Die Verarbeitung personenbezogener Daten in einem Hinweisgebersystem ist künftig also rechtlich verpflichtend und somit eindeutig rechtmäßig. Allerdings besteht die Informationspflicht gegenüber betroffenen Personen, also gegenüber den Personen, deren Daten im System verarbeitet werden, weiter. Näher zu betrachten bleibt somit weiterhin das Verhältnis von Vertraulichkeit des Hinweisgebers zu dieser Informationspflicht gegenüber den betroffenen Personen.
Das Vertraulichkeitsgebot im Hinweisgeberschutzgesetz
Einer der wichtigsten Punkte des im Referentenentwurf vorliegenden Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) ist das Vertraulichkeitsgebot in § 8. Hiernach muss die Vertraulichkeit der Identität der folgenden Personen gewahrt werden:
der hinweisgebenden Person
der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind und
der sonstigen in der Meldung genannten Personen.
Die Wahrung der Vertraulichkeit ist deshalb so wichtig, weil sich die hinweisgebende Person darauf verlassen können muss, dass ihr aus der Hinweisabgabe kein Schaden entsteht, in dem sie sich z.B. Anfeindungen durch die in der Meldung genannten Personen ausgesetzt sieht. Bestehen Zweifel an der Wahrung der Vertraulichkeit, wird einen Meldung mit hoher Wahrscheinlichkeit erst gar nicht abgegeben oder aber anonym.
Daher gibt es im HinSchG nur eng begrenzte Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot. Die Identität der hinweisgebenden Person darf lt. § 9 weitergegeben werden
auf Verlangen von Strafverfolgungsbehörden,
auf Grund einer Anordnung in einem Verwaltungsverfahren oder einer gerichtlichen Entscheidung.
Informationspflicht nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
In Art. 14 der DSGVO ist geregelt, dass eine betroffene Person – in diesem Zusammenhang insbesondere die Person, die Gegenstand einer Meldung ist – spätestens nach einem Monat über den Inhalt der Meldung und die Quelle der Daten zu informieren ist.
Diese Informationspflicht lt. DSGVO steht ganz offensichtlich im Widerspruch zum Vertraulichkeitsgebot des Hinweisgeberschutzgesetzes.
Dieser Konflikt wird jedoch größtenteils aufgelöst durch §29 Abs.1 des Bundesdatenschutzgesetzes:
Die Pflicht zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 14 Absatz 1 bis 4 der Verordnung (EU) 679/2016 besteht ergänzend zu den in Artikel 14 Absatz 5 der Verordnung (EU) 679/2016 genannten Ausnahmen nicht, soweit durch ihre Erfüllung Informationen offenbart würden, die ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen.
Unter die im BDGS genannten berechtigten Interessen eines Dritten fällt das Interesse der hinweisgebenden Person an der Vertraulichkeit seiner Identität. Allerdings bleibt unklar, ob in jedem Einzelfall eine Interessenabwägung mit den Interessen des Betroffenen vorgenommen werden muss. Somit verbleiben Restzweifel, dass die Vertraulichkeit in jedem Fall gewährleistet werden kann. Ein dem Hinweisgeber zugesagter Schutz der Vertraulichkeit seiner Identität ist jedoch bei einer ggfs. vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen und erhöht das Schutzniveau des Hinweisgebers.
Im Falle bewusst oder grob fahrlässig falscher Meldungen auf Fehlverhalten entfällt selbstverständlich der Schutz der Vertraulichkeit des Hinweisgebers.
Datenlöschung
Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn sie für den jeweiligen Zweck nicht mehr erforderlich sind. Das gilt auch für die Daten in einem Hinweisgebersystem.
Ist eine Untersuchung vollständig abgeschlossen und werden die Daten nicht mehr für weitere rechtliche Schritte, wie z.B. ein gerichtliches Verfahren oder eine arbeitsrechtliche Kündigung, benötigt, sind sie innerhalb von zwei Monaten zu löschen.
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Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Sehr kontrovers wird aktuell diskutiert, wie Hinweisgebersystemeim Konzern im Einklang mit der EU-Directive auszugestalten sind. Es reicht nicht, wenn in einem Konzern mit Tochtergesellschaften nur ein Hinweisgebersystem bei der Konzernmutter eingerichtet wird. Daraus ergeben sich nun aber einige praktische Fragestellungen.
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Whistleblowing und Hinweisgebersysteme im Koalitionsvertrag 2021 – 2025
Der Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP) thematisiert im Kapitel Unternehmensrecht explizit das Thema Whistleblowing:
Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.
Entschieden ist hiermit, dass es ein Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland geben wird. Positiv ist auch, dass der Hinweisgeberschutz nicht nur bei Meldungen gegen Verstöße gegen EU-Recht gelten wird. Unklar ist noch, ob es zu Änderungen am bereits vorliegenden Referentenentwurf kommen wird. Der Hinweis auf die Bereitstellung von Beratungs- und finanziellen Unterstützungsangeboten für Personen, die Repressalien nach einer Hinweisabgabe erlitten haben, deutet darauf hin. Wann genau das Gesetz in Kraft treten wird bleibt offen. Die existierende Frist seitens der EU (17.12.2021) und die durch die Erwähnung im Koalitionsvertrag signalisierte Bedeutung des Themas für die neue Koalition lässt einen Termin im 1. Halbjahr 2022 wahrscheinlich erscheinen.
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Bei dem Hinweisgebersystem müssen eingegangene Meldungen auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. Was heißt das genau?
Verfahren bei internen Meldungen
Das im Referentenentwurf vorliegende neue Hinweisgeberschutzgesetz regelt in § 17 was die interne Meldestelle zu tun hat, wenn eine Meldung eingegangen ist:
Eingangsbestätigung an die hinweisgebende Person nach spätestens sieben Tagen
Kontakt mit der hinweisgebenden Person
Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen
erforderlichenfalls Bitte an die hinweisgebende Person um weitere Informationen
Folgemaßnahmen
Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen
Im angesprochenen Referentenentwurf ist die Stichhaltigkeitsprüfung eingegangener Meldungen also verbindlich vorgeschrieben. Was der Gesetzgeber aber genau hierunter versteht, wird im Gesetz nicht erläutert.
In der Praxis besteht die Stichhaltigkeitsprüfung aus mehreren Schritten. Am Anfang steht die „Substanzprüfung“. In dieser Phase wird ermittelt, ob der Hinweis genügend Substanz aufweist, um weiterführende Ermittlungen sinnvoll erscheinen zu lassen. Ein Beispiel: „Es könnte sein, dass in unserem Unternehmen jemand bestochen worden ist.“ Enthält der Hinweis keine weiteren Informationen, reicht die Substanz nicht aus, um das angesprochene potenzielle Fehlverhalten zu konkretisieren. Technisch gesprochen wird der Hinweis nicht zu einem Fall.
Danach muss der Hinweis auf Plausibilität geprüft werden. Mit anderen Worten: Können die übermittelten Informationen grundsätzlich überhaupt stimmen? Auch hier ein Beispiel: „Herr Müller hat vorgestern im Materiallager mehrere Druckerpatronen gestohlen“. Stellt sich heraus, dass Herr Müller seit einer Woche krankgeschrieben ist und das Werksgelände nicht betreten hat, so ist der Hinweis nicht stichhaltig.
Zusammenfassung
Wenn ein Hinweis auf Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle zu wenig Substanz hat oder unplausibel ist, wird er die Stichhaltigkeitsprüfung nicht bestehen. Dann ist im Einklang mit § 18 des Hinweisgeberschutzgesetzes das Verfahren abzuschließen. Falls die Stichhaltigkeitsprüfung jedoch bestanden wird, wird aus dem Hinweis ein Fall, der gegebenenfalls detaillierte forensische Untersuchungen erforderlich macht und abschließend die Umsetzung konkreter Maßnahmen, die verhindern sollen, dass ein gleiches oder ähnlich gelagertes Fehlverhalten künftig noch einmal vorkommen kann.
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