Interne Meldestelle – wie viele Meldungen sind zu erwarten?
Viele Unternehmen und Dienststellen richten aktuell eine interne Meldestelle ein. Aber wieviel Hinweise sind eigentlich zu erwarten?
Meldungen in Unternehmen
Über Fehlverhalten im eigenen Unternehmen wird – zum Teil verständlicherweise – nur ungern öffentlich gesprochen. Und auch die Anzahl der Hinweise auf Fehlverhalten ist kein Thema, das bei der Kommunikationsabteilung ganz oben auf der Agenda steht. Daher ist es schwer verlässliche Daten über die Anzahl der eingegangenen Hinweise zu bekommen.
In Praktikerkreisen ist man sich dieser Problematik wohl bewusst. Hier hat sich im Laufe der Zeit zumindest eine grobe Kennzahl etabliert. Dies ist die Kennzahl „Hinweise je 1.000-Mitarbeiter“, da die Mitarbeiterzahl der wichtigste Treiber für die Anzahl der Meldungen ist. Grob lässt sich sagen, dass je 1.000 Mitarbeiter zwei bis drei Hinweise im Jahr zu erwarten sind. Das ist immerhin eine Indikation, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass es weitere Einflussfaktoren gibt, z.B. die Branchenzugehörigkeit. Empirisch gesicherte Kenntnisse über diese weiteren Einflussfaktoren liegen allerdings nicht vor.
Bei aller Unschärfe ermöglicht die Kennzahl eine grobe Einschätzung, ob erstens im Unternehmen oder der Dienststelle aus den o.a. Gründen zu wenig Meldungen eingehen oder zweitens zu viele. Gehen zu wenige Meldungen ein, kann es daran liegen, dass die interne Meldestelle nicht ausreichend kommuniziert worden ist oder der Nutzen von Meldungen nicht verstanden worden ist. Gehen zu viele Meldungen ein, bedarf dies natürlich ebenfalls einer genaueren Analyse. Ursache hierfür kann ja ein überdurchschnittliches hohes Maß an Fehlverhalten sein.
Dienststellen am Beispiel der BaFin
Im Fachmagazin „Comply“ (2/2022) ist ein Interview zu lesen mit Benjamin Fischer, dem Leiter der Hinweisgeberstelle in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese Stelle nimmt Hinweise zu möglichen Verstößen gegen Aufsichtsrecht entgegen, z.B. Geldwäsche oder unerlaubte Geschäfte.
Die Besonderheit der BaFin liegt natürlich darin, dass die meisten Hinweise dort nicht von eigenen Mitarbeitenden abgegeben werden, sondern von Externen. Insofern ist die oben aufgeführte Kennzahl hier ohne Aussagekraft.
Für die bei der BaFin eingehenden Meldungen nennt Benjamin Fischer konkrete Zahlen. Im Jahr 2020 sind 1.300 Hinweise eingegangen, im Jahr 2021 bereits 2.300. Das ist eine Steigerung um beachtliche 77%. Diese Tendenz ist auch längerfristig zu beobachten. Die Hinweisgeberstelle der BaFin hat ihre Tätigkeit Mitte 2016 aufgenommen. Im Jahr 2017 gab es rund 600 Hinweise mit durchgehend steigender Tendenz in allen Folgejahren bis 2021.
Eine wichtige Erkenntnis lässt sich aus dieser Entwicklung ableiten: Es bedarf einer gewissen Zeit bis eine neu eingeführte Meldestelle umfassend genutzt wird. Dies mag einerseits daran liegen, dass die Existenz der Meldestelle immer besser bekannt wird. Und andererseits braucht es Zeit, bis sich der Nutzen der Hinweisabgabe herumspricht. Dies ist immer dann der Fall, wenn „Success Stories“ kommuniziert werden mit der Botschaft: Hinweise haben uns geholfen, Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen und durch geeignete Folgemaßnahmen Schaden zu verhindern oder zumindest zu begrenzen.
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Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Hinweisgebersystem und Lieferkettensorgfalts – pflichtengesetz
Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sieht die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens vor, das Hinweisgeberschutzgesetz die Einrichtung eines Meldekanals. Kann man mit einer Lösung beiden Anforderungen genügen?
Juristische Situation
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfordert ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 im Inland Beschäftigten laut §8 die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens. Ab 2024 gilt dies auch für Unterhemen mit mehr als 1000 Beschäftigten. Wörtlich heißt es im Gesetz:
Das Beschwerdeverfahren ermöglicht Personen, auf menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie auf Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten hinzuweisen, die durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich oder eines unmittelbaren Zulieferers entstanden sind. Der Eingang des Hinweises ist den Hinweisgebern zu bestätigen. Die von dem Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen haben den Sachverhalt mit den Hinweisgebern zu erörtern. Sie können ein Verfahren der einvernehmlichen Beilegung anbieten.
Alternativ können sich die Unternehmen an einem externen Beschwerdeverfahren beteiligen. Dies muss – wie auch das interne Beschwerdeverfahren – den nachfolgenden Kriterien genügen:
Das Unternehmen legt eine Verfahrensordnung in Textform fest, die öffentlich zugänglich ist.
Die von dem Unternehmen mit der Durchführung des Verfahrens betrauten Personen müssen Gewähr für unparteiisches Handeln bieten, insbesondere müssen sie unabhängig und an Weisungen nicht gebunden sein. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Das Unternehmen muss in geeigneter Weise klare und verständliche Informationen zur Erreichbarkeit und Zuständigkeit und zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens öffentlich zugänglich machen. Das Beschwerdeverfahren muss für potenzielle Beteiligte zugänglich sein, die Vertraulichkeit der Identität wahren und wirksamen Schutz vor Benachteiligung oder Bestrafung aufgrund einer Beschwerde gewährleisten.
Die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens ist mindestens einmal im Jahr sowie anlassbezogen zu überprüfen, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer rechnen muss, etwa durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes. Die Maßnahmen sind bei Bedarf unverzüglich zu wiederholen.
Spätestens 2023 wird auch das neue Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft treten, das von Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten die Einrichtung einer internen Meldestelle erfordert.
Umsetzung der Anforderungen in der Praxis
Ab 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten also sowohl ein Beschwerdeverfahren im Einklang mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einführen als auch eine interne Meldestelle laut Hinweisgeberschutzgesetz.
Ganz praktisch stellt sich somit die Frage, ob man zwei separate Verfahren bzw. Systeme einrichten muss, oder ob bei intelligenter Gestaltung nicht ein Verfahren ausreicht. Und genau das ist in der Tat der Fall.
Die einfachste Lösung sieht wie folgt aus: ist der interne Meldekanal der internen Meldestelle webbasiert (also nicht nur telefonisch), muss in der Eingabemaske der Meldung im Allgemeinen angegeben werden, welchem Risikofeld die Meldung zuzuordnen ist, also z.B. Korruption oder Interessenkonflikte. Hier kann nun problemlos ein neues Risikofeld hinzugefügt werden: Verstoß gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Derartige Hinweise können dann einfach über den bestehenden Meldekanal der internen Meldestelle abgegeben werden.
Die Kategorisierung nach Risikofeldern ermöglicht es, schnell einen Überblick über alle Hinweise über Verstöße gegen das LkSG zu filtern. Diese Auswertung ist dann die Grundlage für den laut §10 LkSG jährlich zu erstellenden Bericht.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass bei intelligenter Ausgestaltung der laut Hinweisgeberschutzgesetz erforderliche Meldekanal der internen Meldestelle für das Beschwerdeverfahren laut LkSG mit genutzt werden kann.
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Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
Bei einer internen Meldestelle geht über einen längeren Zeitraum kein Hinweis auf Fehlverhalten ein. Es ist also alles in bester Ordnung! Wirklich?
Die Hauptaufgabe der internen Meldestelle ist es, Hinweise auf Fehlverhalten im Unternehmen oder der Dienststelle entgegenzunehmen und nachfolgend zu verarbeiten. Aber woran kann es liegen, wenn nach Einrichtung der internen Meldestelle keine Hinweise eingehen? Das kann mehrere Gründe haben.
Es gibt tatsächlich kein Fehlverhalten
Wenn es kein Fehlverhalten gibt, wird bei der internen Meldestelle auch nichts gemeldet, insofern ist das natürlich der Idealzustand. Aber je mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Organisation hat, desto wahrscheinlicher ist es schon statistisch, dass Fehlverhalten vorkommt. In den meisten Fällen haben fehlende Meldungen daher andere Ursachen.
Die interne Meldestelle und ihre Aufgaben sind in der Organisation nicht bekannt
Nur wenn die Existenz und die Aufgaben der internen Meldestelle im Unternehmen oder der Dienststelle bekannt sind, können und werden auch Hinweise eingehen. Aus diesem Grund kommt der begleitenden internen Kommunikation bei der Einführung der internen Meldestelle eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Es ist einer der größten Fehler beim Aufbau von Meldestellen, umfangreich Ressourcen in die Diskussion und Festlegung technischer und personeller Aspekte zu investieren und anschließend die Begleitkommunikation zu vernachlässigen. Während in der Phase der Systemeinführung eine professionelle Kommunikationskampagne erforderlich ist, sind im weiteren Fortlauf nur noch einzelne, aber periodische Kommunikationsmaßnahmen notwendig. Zu denken ist hier zum Beispiel an einen Intranetbeitrag über die Anzahl eingegangener Meldungen.
Laut §7 des Hinweisgeberschutzgesetzes besteht ein Wahlrecht zwischen einer internen und einer externen Meldung. Da Unternehmen und Dienststellen ein Interesse daran haben werden, dass eine Meldung bei der internen und nicht bei der externen Meldestelle z.B. des Bundes eingeht, ist auch aus diesem Grunde die interne Kommunikation zur Bekanntmachung der internen Meldestelle unverzichtbar.
Der Nutzen der Hinweise ist nicht bekannt
Bei genauerer Betrachtung ist dies ebenfalls ein Kommunikationsthema. Hinweise über Fehlverhalten sind ein wichtiges Instrument, Probleme rechtzeitig erkennen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Dass Meldungen im Unternehmen oder der Dienststelle positiv konnotiert sind und nicht negativ – etwa im Sinne von Anschwärzen – ist auch eine wichtige Aufgabe der Hinweisgeber-Kommunikation. Hierzu dienen Artikel über ergriffene Folgemaßnahmen aus Hinweisen und die damit einhergehenden Verbesserungen.
Falsche Unternehmenskultur
Eng damit verbunden ist die Tatsache, dass es Hinweis-fördernde Unternehmenskulturen gibt. Diese zeichnen sich insbesondere aus durch Transparenz, Lösungsorientierung und Fehlervermeidung. Die Vermittlung der Unternehmenskultur erfolgt sehr stark durch die oberste Führungseben der Organisation. Dem „Tone at the Top“, also den Aussagen der wichtigsten Führungskräfte über das Hinweisgebersystem kommt daher essenzielle Bedeutung zu. Nur wenn das System vom Leitungspersonal öffentlich unterstützt wird, wird es auch genutzt werden.
Furcht vor Repressalien
Nur wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen keine Repressalien wegen einer Hinweisabgabe zu fürchten haben, werden sie auch Meldungen abgeben. Daher muss das Unternehmen oder die Dienststelle unmissverständlich kommunizieren, dass ein gutgläubiger Hinweisgeber unter keinen Umständen Repressalien zu befürchten hat. Umgekehrt ist auch klar: sollte ein Hinweisgeber Repressalien erlitten haben und wird dies in der Organisation bekannt, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit keine weiteren Hinweise mehr geben. Allein anonyme Hinweise sind dann noch denkbar.
Technische Systemprobleme
Nur der Vollständigkeit halber sei dieser technische Aspekt für fehlende Hinweise genannt. Diese Probleme könne im Vergleich mit den anderen angesprochenen Aspekten allerdings in der Regel leicht behoben werden.
Eine Kennzahl für die Anzahl der Hinweise
Nach dieser Diskussion der potenziellen Gründe für fehlende Meldungen soll abschließend thematisiert werden, ob es für die Meldungshäufigkeit eine Kennzahl gibt. Geeignet erscheint hier die Kennzahl „Hinweise je 1.000-Mitarbeiter“, da die Mitarbeiterzahl der wichtigste Treiber für die Anzahl der Meldungen ist. Grob lässt sich sagen, dass je 1.000 Mitarbeiter zwei bis drei Hinweise im Jahr zu erwarten sind. Das ist immerhin eine Indikation, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass es weitere Einflussfaktoren gibt, z.B. die Branchenzugehörigkeit. Empirisch gesicherte Kenntnisse über diese weiteren Einflussfaktoren liegen allerdings nicht vor.
Bei aller Unschärfe ermöglicht die Kennzahl eine grobe Einschätzung, ob erstens im Unternehmen oder der Dienststelle aus den o.a. Gründen zu wenig Meldungen eingehen oder zweitens zu viele. Gehen zu viele Meldungen ein, bedarf dies natürlich ebenfalls eine genaueren Analyse. Ursache hierfür kann ja ein überdurchschnittliches hohes Maß an Fehlverhalten sein.
Zusammenfassung
Um eine in Abhängigkeit von der Zahl der Beschäftigten statistisch-normale Anzahl von Meldungen über Fehlverhalten zu erhalten, bedarf es einiger Voraussetzungen: Das Hinweisgebersystem und sein Nutzen müssen durch geeignete Kommunikationsmaßnahmen bekannt sein, die Unternehmenskultur muss „richtig“ sein, es darf keine Angst vor Repressalien und keine technischen Probleme geben. Ist all dies gegeben, werden Meldungen bei der internen Meldestelle eingehen, wodurch mitunter gravierende Probleme frühzeitig erkannt und beseitigt werden können.
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Martin Walter ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Hinweisgebersystem24 GmbH. Er schreibt diesen Blog für Einsteiger und Fortgeschrittene, die sich näher über Hinweisgebersysteme und interne Meldestellen informieren wollen.
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